Regatten

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Eine Regatta voller Höhen und Tiefen - Double Mixed Offshore World Championship (DMOWC) 2023

Taranto (ITA) - Ereikoussa (GRC) - Policoro (ITA) - Isola St. Andrea (ITA) - Taranto (ca. 340sm) / 02.10 - 08.10.2023

Würde mich jemand bitten, ihm die Charakteristika von mehrtägigen Seeregatten zu erläutern und welche Eigenschaften man mitbringen müsse, um jene Prüfungen auf See zu bestehen, dann fiele mir wohl als Beispiel jene Weltmeisterschaft ein, die mir zugegebenermaßen immer noch in den Knochen steckt. Glück und Unglück, hoffnungsvolle Sternstunden neben Zweifel und Resignation, Fairness und Ungerechtigkeit, Flaute und Starkwind, Tag und Nacht, hellwach und todmüde. Bei dieser WM gab es von allem etwas!

Ich starte mit einem Schriftstück vom DSV, welches mich mit Stolz erfüllte. Darin hieß es: "…we are pleased to have Melanie and Fabian (Kennis) eligible to represent Germany at the Double Handed Mixed World Championship in 2023.“

Das Starterfeld aus 10 Nationen war stark besetzt: GBR, SCO, SWE, NOR, POL, ITA, ESP, ARG, ZAF. Mit mir waren es außerdem drei Seglerinnen, die vorher bereits die Damen-Offshore-EM (EFOEC) gesegelt sind. Ich freute mich, Fabian wieder an Bord zu haben. Seit unserem unglücklichen 4. Platz bei der EM im Juni hatten wir noch eine Rechnung offen. Er übernachtete an Bord, lebte sich 2 Tage lang ein, während ich in einer Unterkunft wieder Kraft tankte für meinen nächsten Einsatz. Am Tag vor dem Start wurden die jeweiligen Nationalflaggen sowie die Namen des Teams in das Großsegel geklebt. Außerdem wurden Schulklassen über die Schiffe geführt, um die Jugend für den Segelsport zu begeistern. Zudem war kurzfristig ein Practice-Race angesetzt, welches uns eine gute Gelegenheit gab, unsere Manöver aber auch unseren Speed zu testen. Hier waren wir zwischenzeitlich sogar 2. So tankten wir noch einmal Selbstvertrauen. Die Skandinavier waren immer wieder irritiert über die Spontanität der Organisatoren. Sie taten sich sichtlich schwer mit der italienischen Leichtigkeit. Nun, da waren wir ja schon dran gewöhnt.

Mittwoch! Endlich fiel der Startschuss vor der Skyline von Taranto! Für uns lief der Start mittelprächtig, wir mussten uns erst nach rechts frei wenden bevor wir schließlich unseren Kurs nach Bb in Küstennähe einschlugen. Die Winde in der großen Bucht von Taranto sind häufig durch Thermik geprägt und schwierig „zu greifen“. Schnell kann man völlig daneben liegen. Dieses Mal aber fühlte sich einfach alles richtig an. Wir trafen die Windfelder optimal, so dass wir schon bald mit Team ITA, GBR (den beiden Favoriten) und Südafrika im engen Schlagabtausch segelten. Wir positionierten uns eher in der Mitte, nicht extrem. Grundsätzlich funktionieren Offshorerennen ja so, dass man einfach gesagt zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein muss. Keinesfalls muss man zwangsläufig von Beginn an führen. Abgerechnet wird ja erst in 3 Tagen. Es war ein großer Genuss in dieser Konstellation in die erste Nacht zu segeln. Denn wir konnten mithalten und taktieren. Inzwischen kamen an Stb die Skandinavier auf. Nach einem Winddreher fielen sie aber wieder deutlich zurück. Ich fühlte mich mit Dunkelwerden weiterhin gut. Ich hatte mich seit der EM wieder erholt und konnte Fabian entlasten, der einen fieberhaften Infekt mitgebracht hatte. So übergab ich das Ruder erst wieder bei Sonnenaufgang, als wir das Kap rundeten und auf die nächste Etappe Richtung griechische Inseln gingen. Die weitere Taktik war schwierig, recht unklar. Der Wind sollte zeitweilig völlig einbrechen. Es gelang uns das Boot dennoch stets am Laufen zu halten und den Kontakt zu den anderen nicht zu verlieren. Aufmerksam suchten wir immer wieder Windfelder auf der spiegelglatten See, wechselten zwischen Code-0 und Gennaker. Und so näherten wir uns in Position 4 liegend bei eintreffender Dunkelheit unserer Wendemarke der griechischen Insel Ereikoussa, die in vorgegebenem Abstand an Bb lassend gerundet werden sollte. Der Wind nahm stetig zu, als wir selbstbewusst vor uns aussprachen, dass wir ab jetzt versuchen wollten, den 3. unter Druck zu setzen und in dem nun folgenden zweiten Abschnitt des Rennens alles daran setzen wollten, vorne zu bleiben. Diese Vision gab uns förmlich Energie und so wechselten wir für 20 min von Gennaker auf den gefurlten Code-0 für mehr Höhe, um dann gleich wieder auf Gennaker für mehr Speed bei mehr Tiefe zu wechseln. Schwerstarbeit für den, der packen muss. Für die Rundung der Insel würde dann wieder auf Code-0 und schließlich auf die Fock gewechselt werden.

Während wir voll im Eifer unsere ganzen Manöver abspulten, fiel uns plötzlich auf, dass unsere Konkurrenz die Insel weiter innen und nicht mit dem vorgeschriebenen Abstand von 1 sm rundete. Dies verschaffte ihnen einen Vorteil von 2 sm! Fabian sagte, was ich dachte: „Das darf doch nicht wahr sein! Komm lass uns auch dichter unter Land die Abkürzung nehmen.“ Ich bestand aber darauf, korrekt zu bleiben. Stattdessen notierte ich mir die Namen der Schiffe, die uns auf AIS angezeigt wurden im Logbuch. Ich würde der Jury eine Meldung nach Zieldurchgang machen.

So verfolgten wir die inzwischen vor uns funkelnden weißen Hecklichter trotzdem noch mit Zuversicht und fegten durch die Nacht. Im Morgengrauen passierten wir wieder das S-Kap „Leuka“. Unsere Konkurrenten waren aber bis auf vielleicht 3 Schiffe nicht mehr zu sehen. Inzwischen traf eine Meldung von Team GBR ein, denen offenbar das gleiche passiert war wie uns. Das führende Team ITA habe abgekürzt und das RC wurde aufgefordert, den Abstand zur Insel zu prüfen. Na immerhin haben wir Verbündete. Wenig später erhielten wir wieder eine WhatsApp. Das RC forderte mehrere Teams auf, ihre Logbücher nach Zieleinlauf zur Prüfung einzureichen. Wir waren auch darunter, was mich beruhigte. Ich überlegte mir schon meine Sätze für die Protestverhandlung.

Ein zähes Ringen um Thermik mit Drehern bis 40° prägte die nächsten Stunden. Wir verglichen unser Routing mit der Kurswahl der Konkurrenz und fanden schließlich einen passablen Kurs Richtung W-Seite der Bucht. Die Spanier waren die einzigen in Sichtweite. Das machte das Rennen für uns schwierig, da Vergleiche fehlten, die einen anspornen. Sie wählten trotz Dreher noch einen dichteren Kurs unter Land, der ihnen später deutliche Vorteile verschaffen sollte. Wieder nachts passierten wir die vorgegebene Position unserer vorletzten Bahnmarke. Wir hatten offenbar wieder etwas aufgeholt, wurden auf dem 7. Platz geführt und schöpften wieder Hoffnung. Beim Wechsel auf die Fock öffnete sich der aufgerollte Code-0 und ließ sich nicht mehr einrollen. So bargen wir das Segel unaufgerollt und sperrig erstmal unter Deck. Zum Abfallen ging nun schnell der Gennaker hoch und Fabian war wieder in seinem Element! Bei zunehmendem Wind surften wir nur so die Wellen runter – alles vibrierte! Der Kurs zum nächsten Wegpunkt der Insel St. Andrea auf der Ost-Seite der Bucht war aber immer seltener zu halten. Wir mussten weiter abfallen, um Sonnenschüsse zu vermeiden. Mein Bauchgefühl sagte mir noch: „Na ist doch egal, die Höhe holen wir uns später wieder zurück, dann fahren wir jetzt eben erstmal mehr Tiefe.“ Fabian war irgendwie nicht wohl dabei und schlug stattdessen einen Wechsel auf Code-0 vor. Und so wechselten wir eben erst auf die Fock und sortierten anschließend mühsam den ungefurlten Code-0 an Deck, um ihn wie einen Gennaker im Windschatten der Fock zu hissen. Dies kostete uns mindestens eine dreiviertel Stunde und wie wir inzwischen analysiert haben eine bessere Platzierung bei dieser WM! Am Ruder sitzend fiel ich immer wieder in einen Sekundenschlaf. Dies war nun schon die 3. Nacht fast ohne Schlaf. Als wir bei Sonnenaufgang unsere letzte Bahnmarke passierten und auf einen unangenehmen holprigen Am-Wind Kurs bei 22 kn Wind Richtung Ziel in Taranto gingen, sahen wir einige Schiffe vor uns noch in geringem Abstand. Auf dem Weg ins Ziel könnte uns eine Flaute nochmal eine letzte Chance bieten. Darauf hofften wir nun.

Es gelang uns am Ende aber nicht mehr, Boden gut zu machen. Immerhin wurden wir dieses Mal freundlich im Ziel erwartet. Team ITA (die Weltmeister) nahm uns die Leinen ab. Mein Logbuch konnte ich am selben Abend niemandem mehr abgeben. Wir klarierten noch unser Schiff, bauten die Segel ab. Die netten Argentinier halfen uns dabei. Am nächsten Tag gab ich beim RC mein Logbuch ab und verwies auf die Schiffe, die abgekürzt hatten. Dies wurde zur Kenntnis genommen aber nichts passierte. Derweil liefen die Drähte unserer WM-WhatsApp-Gruppe heiß. Von unfairem Wettbewerb war die Rede. Die Italiener mögen ihre Daten offenlegen. So könne kein Weltmeister gekürt werden. Doch die Jury unternahm nichts!

Zur Preisverteilung gab es nun jede Menge trauriger Gesichter. Team GBR fühlte sich betrogen und überlegt das prüfen zu lassen, Team ITA liefen trotz Sieg die Tränen, Team SWE war ehrlich, gab zu, den Kurs falsch abgesegelt zu haben. Von ihrem DSQ erfuhren sie aber erst zur Preisverteilung. So wurden wir am Ende sogar noch 9.

Was für eine Regatta – 3 Tage voller Höhen und Tiefen! Diese WM hat uns bezüglich Resilienz alles abverlangt aber auch neue Bekanntschaften beschert. So haben wir jetzt eine Einladung nach Göteborg für die kommende ORC Double Handed European Championship und außerdem freute ich mich riesig meinen polnischen Mitsegler Arthur vom Round Britain and Ireland Race 2014 wiedergetroffen zu haben. Diese vielen Eindrücke werden Fabian und mich noch lange beschäftigen. Wir waren ein tolles Team!

Aber was war in der zweiten Hälfte des Rennens los, unabhängig von den Teams, die abgekürzt haben. Der 2. Abschnitt verlangte von uns vor allem mentale Stabilität. Fühlten wir uns zu früh sicher? Hätten wir uns anders „programmieren“ sollen? Ein späterer Fehler bei der Schotführung kostete Zeit und wertvolle Plätze. Eine richtige Intuition wurde ausgesprochen, aber nicht umgesetzt. Offshoresegeln ist wirklich fordernd und vielseitig. Deswegen ist es so spannend und nie langweilig. Aus diesem Grund mache ich das.

Spannend bleibt nun auch, wie World Sailing auf die unschönen Vorkommnisse reagieren wird.

Eure Melanie

 

 [Fotos: © SVSt / privat & © MMNRT | MMelandri]

 

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