Geschwisterpaar aus dem SVSt für Deutschland am Start
Dieses Jahr 2022 ist schon verrückt. Schon zweimal bekam ich die Chance auf einer Figaro-3 im Zweihandmodus zu racen.
In Deutschland sind Einheitsklassen im Offshoresegeln leider nicht üblich und nirgends gibt es in Deutschland Figaros. In Frankreich, der Hochburg der weltweiten Offshoreszene stellt die Figaro-3 hingegen das hart umkämpfte Sprungbrett für jeden Profi-Offshoresegler dar. Nach der Female Offshore Mediterranean Championship im April und der EM doublehanded mixed im Mai durfte ich nun sogar an den Weltmeisterschaften - wieder doublehanded mixed - teilnehmen. Das hätte ich nie für möglich gehalten!
Während ich die EM noch mit meinem befreundeten Einhandsegler Rüdiger segelte, der übrigens gerade erfolgreich bei der legendären Silverrudder als 2. ins Ziel kam, fand ich schließlich meinen passenden Teampartner quasi zuhause - nämlich meinen zwei Jahre älteren Bruder Christian. Beim Offshoresegeln ist mir eine offene Kommunikation auf Augenhöhe wichtig und die ist bei uns Geschwistern nun mal definitiv gegeben.
An dieser Stelle kurz zu Christian, der inzwischen in München lebt und als auswärtiges Mitglied im SVSt nur noch selten präsent ist: Mein Bruder ist schon doublehanded mixed gesegelt als noch niemand diesen Ausdruck kannte. Während seiner Abiprüfungen brachte er sich selbst Astronavigation bei für seinen anschließenden Törn von Hamburg zu den Kanarischen Inseln mit Freundin Claudia auf unserem elterlichen Schiff „Seebär“. GPS war damals noch nicht üblich. Der Törn erregte Aufsehen: „Seebärenstark - 5000 sm zwischen Abi und Uni“ titelte die „Segelsport“ damals diesen außergewöhnlichen Jugendtörn. Beide waren gerade erst 19 Jahre alt. Unter Erhard, unserem H-Boot Regattacrack wurde er zum peniblen Trimmer ausgebildet. Eine WM-Teilnahme krönte ihre erfolgreiche Regattazeit. Dann folgten jahrelange Studienaufenthalte in den USA. Er hat sich sein Interessengebiet der Aerodynamik als promovierter Luft- und Raumfahrtingenieur schließlich zum Beruf gemacht. Man ahnt, dass seine Qualitäten auf einem foilenden Racer durchaus nützlich sein können.
Nun lade ich euch ein, diese WM mit uns gemeinsam noch einmal revuepassieren zu lassen.
Es ist Donnerstag, wir haben nur noch 1 Wo bis zur Abreise nach Slowenien als eine E-Mail des Veranstalters für Verwirrung sorgte. Die 10 gestellten Figaro-3 Regattayachten warten überraschenderweise nicht am Startplatz in Portoroz auf uns, sondern in Venedig im berühmten „Arsenale“. Von uns Teilnehmern wurde nun erwartet, das Boot quer über die Adria nach Portoroz zum Start zu überführen und im Anschluss wieder nach Venedig zurück zu segeln. Die Figaros lagen hier seit ihrem letzten Einsatz, der 2 Monate her war. Der Zufall wollte es, dass sich Christian ohnehin gerade bei Venedig aufhielt und ich noch kein Ticket gekauft hatte. Also - no problem für uns! Das „Arsenale“ ist jedoch hermetisch abgeriegeltes Militärgebiet, an Bord übernachten ist strengstens verboten. Eine bezahlbare Unterkunft fand Chris erst an meinem Anreisetag. Dieser war von Verspätungen geprägt. Erst 5h am BER und dann streikte auch noch das venezianische Transportwesen. Nun - kurz vor Mitternacht war ich auf unserer Figaro Nr. 7. Chris hatte derweil das Schiff übernommen und arbeitete meine Aufträge ab. In einer freien Minute zählte er mal die ganzen Strecker und Leinen und kam auf 41. Er war total begeistert. Am kommenden Tag herrschte Sturm und so bauten wir in Ruhe unser Schiff auf, rollten mit dem Furler den Code-0 auf, zogen Latten und diverse Schoten ein und, und, und. Abends trafen die Amerikaner incl. Coach ein. Drei Teams waren bereits drüben in Slowenien, die anderen trafen offenbar erst nach uns ein. Schließlich waren noch Taucher bestellt, die das Unterwasserschiff grob säuberten, um überhaupt sicher fahren zu können.
Wir legten Sa früh ab und vergaßen „ganz zufällig“ die Taste mit dem AIS zu drücken. Wir wollten natürlich heimlich mal eine kurze Runde bis vor den Markusplatz drehen, Fotos machen und uns dann auf den Weg quer über die Adria machen.
Obwohl der Gashebel auf Anschlag stand, erreichten wir nur einen max. Speed von 3 kn, so bewegten wir uns also etwas unentspannt durch das Chaos der vielen Schiffe. Hier querte eine Gondel, da wurde eine Megayacht von Schleppern gezogen und wir tuckerten nun im Schneckentempo mittenmang.
Auf unserer ca. 60 sm langen Überfahrt nach Portoroz trainierten wir erste Gennackermanöver, fanden den besseren für die WM heraus und erreichten bei sportlichen 20 kn gegenan im Dunkeln unseren Hafen. Kurz hinter uns traf Lisa Berger vom Team Österreich ein, mit der wir noch nett plauderten. Die Mixed Offshore Europameisterin von 2019 fährt gerade eine Mini-Transat-Kampagne und ist aktuell die Vorzeigeseglerinnen für Österreich. So fielen wir erst nachts gegen 3 Uhr endlich in unsere Betten. Der Schlaf dauerte jedoch nicht lang war doch am heutigen Montag (zwei Tage vor Start) noch die Kranung aller Figaros geplant, um das Unterwasserschiff final von Muscheln zu befreien. Wir begegneten Luigi dem Wettfahrtleiter, der sich sichtlich freute mich wieder zu sehen. Mein Durchhalte-Auftritt bei der EM scheint ihm positiv in Erinnerung geblieben zu sein. „Your sister never gives up! I like this kind of spirit.“ erzählte er meinem Bruder. Inzwischen wurde klar, dass die Putzarbeiten nicht von einer Werftmannschaft sondern von uns selbst durchgeführt werden sollten. Na klar! Niemand putzt sein Boot so gut wie eine ambitionierte Regattacrew, die den Titel gewinnen will! Die Franzosen waren als erste an der Reihe und gaben sich besonders viel Mühe. Sie traten zu 5 an, bauten gleich noch die Ruder ab und führten diverse Vermessungen durch. Es sprach sich herum, dass man sich die Winkel der Ruderblätter genauer ansehen solle, häufig seien sie so verstellt, dass sie bremsen könnten.
Als wir an der Reihe waren fuhr der Travellift unsere Nr. 7 erstmal auf den Parkplatz und nichts passierte in der Mittagshitze. Inzwischen wurde gewarnt, dass jeder nur 1 h Zeit zum Putzen bekommt. Das wird knapp! Ah, beim Betrachten unseres Unterwasserschiffs wurde uns aber einiges klar. Die Schraube, der Kiel und das Speedometer waren kaum noch zu erkennen so sehr waren diese empfindlichen Bereiche mit Muscheln bewachsen. Handy und Geld lagen unerreichbar oben auf dem Schiff und so half uns Manfred vom Team Uruguay erstmal aus, dass wir das notwendige Putz-Equipment kaufen konnten, gestellt wurde uns nämlich nichts! Ich begann derweil in der Hitze einfach auf dem Parkplatz die Muscheln abzuspachteln, in der Erwartung bald üble Schimpfe zu bekommen. Diese blieb gottlob aus. Keine Sorge! Wir sammelten die Muschelberge natürlich später auch noch ein. Wertvolle Zeit wurde auf diese Art gespart und so reichte die anschließende Stunde am Kärcherplatz noch für alle Arbeiten. Unsere Utensilien verschenkten wir anschließend an die Folgeteams, die sich freuten.
Es war dann schon Abend als ich Chris noch in den 15 Meter hohen Mast kurbelte, um den locker gewordenen Windex zu fixieren. Schlussendlich kalibrierte er noch den elektronischen Kompass. Unser AIS zeigte am Ende die umliegenden Schiffe auch wieder in der korrekten Richtung an.
Kaputt vom Arbeitstag schlurften wir im Dunkeln zu einem Restaurant mit aufmunternder Musik. Wir hatten den ganzen Tag noch nichts außer Frühstück gegessen.
Nun war schon Dienstag, der letzte Tag vor dem Regattastart. Ganz oben auf unserer Checkliste stand Einkauf von Obst und Wasser dann weiter zum Schiff und raus zum Training. Beim Rausmotoren hing Chris allerdings erstmal bäuchlings über dem Heck und konnte den Blick nicht von den jeweiligen Heckwellen unserer zwei Ruderblätter lassen – ok, alles klar - jetzt bloß nicht stören. Hier ist jemand in seinem Element. Das Finetuning der Doppelruderblatteinstellung dauerte seine Zeit. Ich kümmerte mich derweil um das Abtapen sensibler Stellen und überlegte mir den besten Weg die Gennacker Tackline von Stb. vorne über die Code-0 Tackline nach Bb. zu schwingen für den Fall, dass wir ein Segel in das andere wechseln müssen. Anschließend markierten wir eine Grundeinstellung der Strecker für beide Fockholepunkte. Dann übten wir noch diverse Gennakerhalsen. Der Wind war leicht und somit ideal dafür und wir wechselten nochmal alle Vorsegel gegeneinander aus. Nun fühlten wir uns endlich – mit einem Minimum an Segelzeit – immerhin maximal gut vorbereitet.
Inzwischen war es 16 Uhr. Wir tankten wie vorgeschrieben den 40 l Dieseltank voll und hetzten zur Eröffnungsfeier auf den Steg. Es gab nette Gespräche bei Sekt mit Häppchen. Nun wurde es spannend – das Skippersbriefing stand an. Bislang wurden wir bezüglich der Route noch völlig im Unklaren gelassen. Wir saßen alle um einen langen Tisch herum als Wettfahrtleiter Luigi gegen 20:00 Uhr endlich das Geheimnis lüftete: Start in der Bucht vor Portoroz – Plattform at 43° 39,9 N, 013°24,3 E (Ancona) to be left on stb. at 500 mt minimum distance – mark at 45°39,7 N, 013°09,7 E (Porto Lignano) be left on stb. – Finish (Portoroz). Uff. Die Franzosen und ihr Coach gaben alles in Windeseile in ihre Laptops ein und ließen ihre Routingsoftware bereits arbeiten. Es gab Einwände, dass die Route nach ihrem Empfinden zu kurz sei und lange Diskussionen wie die Abstandsangabe von 500 m zu verstehen sei. Es wurde nun jedem klar, dass uns auch ein Hindernissparcour erwartete, denn jede Menge Ölplattformen lagen auf der Strecke und mussten im Abstand von 1 sm umfahren werden, sonst droht Strafzeit.
Die Uhr schlug 21 Uhr als wir uns in einer Pizzeria stärkten und 22 Uhr als wir im Hotel ankamen. Wir waren wieder ausgelaugt und müde vom Tag. Morgen um 9 Uhr hatten wir startbereit zum Safetycheck an Bord zu sein. Der Start wurde auf 12.30 Uhr festgelegt. Unsere wesentliche Aufgabe stand nun aber noch aus: Die Beschäftigung mit Wetterprognosen und unserer Taktik. Wir navigieren nur mit Handy und I-Pad, besitzen keine Routingsoftware, müssen uns also unsere Taktik selbst durchdenken. Was hätten wir in diesem Moment für einen einzigen Tag mehr Zeit gegeben!!!
Wir ruhten nun erstmal und ließen uns um 6 Uhr vom Wecker aus dem Schlaf rütteln. Noch vor dem Frühstück gingen wir unsere Wetterquellen durch, die Taktik wie auch Planung von Segelwechseln.
Das Ergebnis: Start unter Gennaker an Bb. bei Wind um 20 Kn, bald Halse und dann Südkurs, nach mittäglicher Flautenperiode dann vor allem in der Nacht zu Donnerstag mit Böe bis über 30 Kn raumwinds rechnen. Die Preisfrage wird hier die richtige Segelwahl sein – der Mix aus Risiko und Beherrschbarkeit. Bis Donnerstag früh also voraussichtlich kein Schlaf.
Wir kamen pünktlich an Bord, packten alles überflüssige Zeug (das war viel) in eine Tasche, die wir an Land abgeben konnten. Bei uns war nun alles auf Go. Wir waren klar! Ein kurzer Bootscheck durch die Regattaleitung, dann durften wir ablegen.
Groß und Fock wurden gehißt, der Gennaker war an Bb. zum schnellen setzen vorbereitet. Der Bowdenzug am Motor mit Kabelbinder festgesetzt, das Foto hiervon an Luigi geschickt und seine Abfrage über Ch. 72 pariert. Die richtige Position für den Start wurde eingenommen und mit dem 1-Min Signal die Segel angezogen und direkter Kurs auf die Linie genommen. Peng!!! Gefühlte 5 Sek später kreuzten wir die Startlinie und reihten uns parallel zu den anderen Figaros in einen fulminanten Downwindkurs mit Speeds bis 12 kn ein. Einer der magischen Momente dieser Weltmeisterschaft. Mit heftigen Böen kam es hier und da zu Sonnenschüssen. Auch wir blieben nicht verschont.
Das am weitesten Bb. liegende Boot halste als erstes, wir bereiteten uns nun auch vor, fielen ab und bemerkten den unruhigen Gennaker, wie er sich unausweichlich um unser Vorstag wickelte. Wir halsten trotzdem, mussten nun jedoch erstmal abreißen lassen und unsere Baustelle beseitigen. Nach kräftezehrenden 30 Min war das Segel durchs Vorluk geborgen. Wir setzten Code-0, um irgendwie hinterher zu kommen und breiteten den Gennaker für ein neues Manöver vor. Den Polen schien das Fall ausgerauscht zu sein, sie lagen sogar noch hinter uns.
Wir konzentrierten uns auf sauberes steuern, dann auch wieder unter Gennaker und fanden uns plötzlich mitten im Feld wieder. Die Konkurrenten wurden durch eine Flaute ausgebremst und wir nutzten unsere Chance. Mit eintreffender Dunkelheit erschienen die ersten Ölplattformen. Unterschiedliche Wege wurden um sie herum eingeschlagen. Wir hielten uns Bb von ihnen und rauschten nun in manchen Böen (die aber nicht die 30 kn Marke erreichten) mit bis zu 12 Kn unter Code-0 durch die stockfinstere sternenklare Nacht. Die Amerikaner und Österreicher lagen anfangs noch sichtbar vor uns, später entkamen sie uns. Auch das polnische Team kämpfte sich in der Nacht heran. Sie segelten mit deutlich mehr Höhe und Speed in den Morgenstunden an uns vorbei. Der Code-0 hatte uns offenbar keinen guten Dienst erwiesen. Vor der Rundung des ersten Wegepunktes vor Ancona erkannten wir im Fernglas, dass der Wind plötzlich auf ablandig drehte. Unsere Konkurrenten führten ihren Gennaker an Stb. So wechselten wir auf den letzten Meilen zur Marke vor Ancona zunächst von Code-0 auf Gennaker, dann mit dem Winddreher auf die Fock, um dann nach der Wendmarke wieder auf den Gennaker. Wir wollten unbedingt den Anschluss an unsere Gruppe behalten und erlebten schon wieder dieses Flautenphänomen. Plötzlich wurde ein Schiff nach dem anderen ausgebremst, dümpelte in kabbeliger See. Wir beobachteten sehr genau was sich windtechnisch tat und wollten uns nun auf dem Weg zur 2. Marke in Richtung Mitte bis kroatische Küste orientieren. Hier sollte in wenigen Stunden mäßiger ablandiger Wind wehen. Wir kämpften um jeden Meter, hielten das Schiff mit allen Mitteln am Laufen. Geschlafen hatte bislang noch keiner von uns – nur mal in dem einzigen Schlafsack, den wir an Bord hatten, geruht. Ab jetzt begann der Abschnitt des Rennens, der uns beiden große Freude und Genugtuung bereiten sollte. Wir taktierten, fielen zurück und holten wieder auf, konnten den Speed mit den anderen mithalten und sogar überbieten - Abstand herausfahren. Eine Ölplattform zwang uns zur Wende, während Team Österreich klar voraus leicht abfallend weiterfuhr. Wir konnten so mit dem an Stb. achteraus liegenden Team Polen „abkassieren“. Wer war nun vor dem anderen? Sie! - vielleicht 5 Bootslängen. Wir unterwendeten die Gegner und warteten gespannt ab. Wer wandert wohin aus. Chris fragte: „Und? Sie ziehen vorne raus oder?“ „Nein, tun sie nicht.“ „Ok!“ Ich legte mich nun in die Koje, wollte mal für 1 h schlafen. Ich schreckte plötzlich hoch, hörte irgendwelche Musik und Christian mit jemandem telefonieren. Was ist da los? Ich kroch an Deck. Keine Musik, keine Gespräche. Team Polen weit achteraus. Chris hochkonzentriert am Ruder. Aha! Alles klar! Die Übermüdung spielt meinem Gehirn gerade Streiche. Solange ich jetzt keine rosa Elefanten sehe ist das hoffentlich noch unbedenklich. Ich schickte Chris in die Koje, damit ihm nicht das Gleiche wiederfährt und übernahm die Wache. Inzwischen bemühte sich Team Österreich um Anschluss. Wir kamen gut voran und mussten entgegen aller Regeln das Verkehrstrennungsgebiet in Gegenrichtung durchfahren. Mir war nicht wohl dabei aber dies ist eben eine WM! In der kommenden Nacht griff Österreich an. Sie attackierten, indem sie höher fuhren. Ich parierte und konnte sie in Schach halten. Die Nacht dauerte hier mit fast 11 h ewig. In den Morgenstunden jedoch waren ihre Segelwechsel auf Gennaker einfach schneller. Sie fuhren uns davon.
Bis die nächste Flaute uns wieder alle zusammenschob. Polen und USA rückten auch wieder auf. Wir erwischten als erstes ein Windfeld mit 16 -20 Kn. Wir wechselten auf die Fock und hielten den Code-0 vorne als Rolle gesetzt bereit. Team Österreich hatte zur Marke 2 einen richtigen Anlieger, den es komplett mit Code-O absolvierte, wir hatten in dem Flautenwirrwarr nun Überhöhe bezogen auf die Marke 2, was leider im Zweikampf immer ungünstig ausgeht. So kam was kommen musste. Team Österreich erreichte die Marke 2 ca. 4 Bootslängen vor uns und zog dann unter Code-0 mit einer bemerkenswerten Höhe davon. Diese konnten wir mit unserem Code-0 nicht halten. Wir segelten tiefer. Nun schien alles klar zu sein. Wir konzentrieren uns den 8. Platz ins Ziel zu halten. Sie sind eben einfach besser als wir. Ich klarierte gerade unter Deck den Gennaker als mich Chris raus rief. „Komm schnell, wir müssen uns jetzt voll konzentrieren und alles geben.“ Österreich stand schon wieder ausgebremst in der Flaute. Wir fuhren langsam steuerbord an ihnen vorbei. Chris hatte gerade das bessere Händchen am Ruder und so arbeite ich ihm zu was ging. Holepunkte nachbessern, Windfelder ansagen. Die Spannung war kaum noch zu ertragen. Da rückten Polen und USA auch noch auf. Wir hangelten uns von Windfeld zu Windfeld. Mehr konnten wir jetzt nicht tun. Immer wieder stand Team Österreich und bewegte sich dann wieder gefährlich schnell weiter. Wir wechselten wieder auf den Code-0 und bereiteten auch noch das Szenario für einen Wechsel auf den Gennaker vor. Am Eingang zur Bucht von Portoroz machte sich nun ein Lüftchen mit mehr Druck ausgerechnet an der gegenüberliegenden Landseite auf. Dort lauerte Team Österreich und nutzte seine Chance. Auch sie fuhren inzwischen Gennaker und zwar mit mehr Druck und deshalb mehr Speed. So überholten sie uns Meter für Meter. Was machten nun Polen und USA? Ich konnte es kaum mitansehen aber Team USA steuerte in dem gleichen Windfeld wie Österreich und kam immer dichter. Sisyphos ließ grüßen, insbesondere uns – das Team GER. Nach 2 Tagen hochkonzentriertem Segeln überquerten Team Österreich als 7. Boot ca. 5 Min und Team USA nur eine Bootslänge vor uns die - knapp unter Land gelegte - Ziellinie. Wir beendeten diese WM nun als 9. Boot vor Team Polen.
An Land kamen die sympathischen Amerikaner und nahmen uns die Leinen ab. Die Skipperin entschuldigte sich persönlich bei mir, vorbeigezogen zu sein. Nun, das ist Sport. Insbesondere Segelsport! Keine halbe Stunde später stand die Preisverteilung an.
Jedes Team wurde aufgerufen und erhielt eine Erinnerungsgabe. Dass wir ein Geschwisterteam waren, fiel hier nochmal positiv auf. Falls jemand annimmt, dass wir das Drama des Tages geschrieben hatten, so irrt man. Frankreich hatte das gesamte Rennen über teils deutlich geführt. Unmittelbar vor dem Ziel ereignete sich für sie eine ähnliche Szene wie bei uns. Die Italiener zogen vorbei und siegten, Uruguay wurde überraschend zweiter. Frankreich blieb nur noch die Bronzemedaille. Für alle gab es übrigens etwas zu schmunzeln, als die 2. - Team Uruguay - zunächst nicht bei der Preisverteilung erschienen. Der Grund war, dass sie an Bord schliefen. Schnell wurden sie geweckt und so kamen sie dann angerannt. Nun wurde die gesamte Zeremonie extra noch einmal wiederholt.
Die meisten Teams dieser WM bestehen aus professionellen Seglern, sie dürften um die 250 Tage / Jahr auf dem Wasser verbringen. Einige sogar in dieser Bootsklasse Figaro-3. Insbesondere für Frankreich und Belgien war es ein bitterer Ausgang, sind sie doch hoch ambitioniert angetreten.
Wir verabschiedeten uns alle herzlich voneinander, viele machten sich sogar gleich noch auf den Weg zurück nach Venedig. Ich gratulierte Cecilia, der Weltmeisterin und ihrem Partner. Sie war es, die Helen und mich im April bei sich an Bord eingeladen hatte und all unsere Fragen beantwortete.
Cecilia fragte, wie es bei uns gelaufen sei. Ich erzählte ihr von unserem finalen Flautendrama. Da fragte sie mich, ob wir denn unterwegs Spaß gehabt hätten, ob es gute Fights gab?
In mir kamen sofort die Bilder des 2. Tages auf. Ja, wir hatten Spaß und sogar unvergessliche Fights mit den Österreichern, den Polen und auch Team USA. Sie antworte: Na siehst du. Dann hattet ihr also ein GUTES Rennen. Darauf kommt es an. Vergiss das nicht! Wie recht sie hatte.
Wir organsierten uns nun für die Nacht noch eine Unterkunft. Am nächsten Tag wollten wir auch zügig nach Venedig aufbrechen. Die Spanier hatten offenbar noch nicht genug, forderten die Runde auf, ein Trainingsrennen nach Venedig gegen sie zu segeln. Wir trafen die spanische Teampartnerin auf dem Steg und lehnten dankend ab. Sie entschuldigte sich für ihren ambitionierten Skipper und lachte. Derweil wurde sie von Freizeitseglern angesprochen… „Can we book you as a professional skipper?“ „Yes, sure….“ Und schon schien sie ihren nächsten Job klar zu machen.
Für die Überführung hatten wir frischen Wind, so dass Chris sich seglerisch nochmal richtig austoben konnte. 10 Kn unter Code-0 bei 40 Grad Schräglage. Ich begann unter Deck Klarschiff zu machen, unsere Ausrüstung zusammenzupacken und das Boot auszuwischen. Chris organisierte während der Fahrt noch eine Unterkunft, denn wieder hätten wir nicht an Bord übernachten dürfen. Wir erreichten Venedig noch mit dem letzten Tageslicht und hatten nur noch das Groß abzubauen und zusammenzulegen. Dies war schnell getan. Das Wettfahrtteam führte den letzten Bootscheck durch und verschwand noch vor dem 1. Regenguss. Inzwischen war es menschenleer, dunkel und regnete. Wir nahmen unser Gepäck auf den Rücken und schnallten 2 Taschen auf ein kleines Wägelchen, das ich geistesgegenwärtig zuhause noch eingepackt hatte. Die Spanier hatten ihr selbsternanntes Rennen gegen uns ganz offensichtlich verloren, kamen nach uns an und hatten noch gar nichts klariert. Wir verabschiedeten uns von ihnen und wünschten eine gute Reise. Da fragte der spanische Skipper noch wo wir jetzt unterkommen würden. Als er erfuhr, dass wir während des Segelns heute erst ein Zimmer gebucht hatten, wurde er noch mürrischer als er es eh schon war. Die bedauernswerten Spanier hatten bislang keine Bleibe.
Wir marschierten nun im Regen noch in unseren Segelklamotten eine halbe Stunde durch Venedig, treppauf und treppab. Den Abend ließen wir geduscht und wieder frisch in einem Restaurant ausklingen. Am nächsten Morgen nahmen wir eine Fähre durch den Canale Grande zum Bahnhof, dann den Zug nach Padua, wo Christians Auto vor der Haustür eines ehemaligen Studienfreundes sicher abgestellt war und weiter ging es über den Brennerpass bis nach München. Hier erwarteten uns schon meine Zwillingsschwester Stefanie mit Familie und Helen - meine Teampartnerin vom Female Championship, die zufällig nur einen Steinwurf von meiner Schwester entfernt wohnt. HELEN haben wir im Grunde genommen dieses Abenteuer zu verdanken. Wenn sie mir im April nicht zugesagt hätte, säßen wir heute nicht hier. So wurde es noch ein lustiger Abend bei einer Runde Pizza und mit vielen Geschichten.
Auf Chris warteten schon wieder die ersten Meetings und ich nahm den Zug weiter nach Berlin. Auch von der Sprengung einer Fliegerbombe, ließ ich mich nun nicht mehr aufhalten. Und so brachte mich schließlich die gute alte Berliner S-Bahn wieder nach Berlin-Spandau.
So war sie - unsere Double Mixed Offshore WM. Was für ein Abenteuer!
Eure Melanie