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EUROSAF Mixed Offshore European Championship - 4. Platz für Melanie Aalburg und Fabian Kennis

Alex Thomson, ein großer der Offshoreszene, verriet einmal seinen Leitspruch, dem er stets vertraut: „Expect the unexpected – from start to finish“.

Dieser Satz passt nicht nur zum Offshore-Regattasegeln sondern eigentlich zum Segeln insgesamt und man ist gut beraten, sich immer mal wieder daran zu erinnern.

Ich darf nun schon die zweite Saison in der Figaro-3-Klasse segeln und weiß, dass auch auf die Regattavorbereitung Thomsons Leitspruch zutrifft. Die italienischen Organisatoren sind stets für eine Überraschung gut. Während diese EM in La Spezia starten und in Genua zur Eröffnung des Ocean Race Village enden sollte, erfuhren wie 10 Tage vorher, dass die Schiffsübernahme kurzfristig in Genua geplant ist mit anschließender Überführung zum Starthafen. Bis zum Schluss war nicht klar, wie viel Arbeit man persönlich in die Vorbereitung des zugewiesenen Schiffes stecken muss, um aus ihm eine konkurrenzfähige Rennyacht zu machen. Daher deckte ich mich vorsorglich nochmal mit Werkzeug und Schleifpapier ein, um ggf. wie bei der WM 2022 den Rumpf schnell zu machen. Dies wurde aber zum Glück nicht nötig. Stattdessen half ich den Servicejungs neue Fallen einzuziehen und diverse andere Kleinigkeiten in Ordnung zu bringen.

Mein Bruder musste zur EM-Zeit auf eine Konferenz in die USA reisen und so habe ich mir im Vorfeld einen neuen passenden Teampartner suchen müssen. Fabian Kennis ist nicht nur ein Berliner, ehemaliger Europesegler, gegen den ich früher gesegelt bin, sondern auch ein erfahrener Regattasegler in der Class40, macht Schiffsüberführungen und ist im Bootsservice in Bremerhaven tätig.

Seine Anreise erfolgte gemeinsam mit seiner Freundin im Campingbus. Ich organisierte mir kurzfristig meine Anreise nach Genua, übernahm am selbigen Anreisetag gleich noch unser zugewiesenes Schiff Nr. 7 und überführte das Schiff noch in derselben Nacht gemeinsam mit einem der Figaro-Servicejungs die 50 sm bis La Spezia. Während der Überführung erzählte er mir stolz, schon für den Rennstall von Soldini (ital. Segelstar) gearbeitet zu haben, aber der würde schlecht zahlen. Ich nutzte natürlich die Gelegenheit, Infos über das Boot aber auch lokale Wetterphänomene zu erfragen. Als wir im Militärhafen von La Spezia ankamen, lag mein letzter Schlaf nun schon 33 h zurück.

Wollte man eine Checkliste erstellen, was man zu tun und zu lassen hat, um einen sportlichen Wettkampf erfolgreich zu bestreiten, machte ich wohl gerade einen Fehler nach dem anderen. Ich war jedenfalls alles andere als ausgeruht und erholt.

Gemeinsam mit meinem Teamkollegen Fabian bereiteten wir einen Tag vor Regattastart unser Boot final vor. Alle zehn teilnehmenden Schiffe erhielten eine komplett neue Segelgarderobe bestehend aus Groß, Fock, Code 0 und Gennaker A2. An rausfahren zum Training war bei dem Arbeitsumfang in glühender Hitze nicht mehr zu denken, denn hier und da passten die Latten nicht usw...

Am Abend vor dem Start stand unsere Route fest: Start vor La Spezia, über 100 sm Kreuz bis zur Isola di Montecristo, weiter bis zur N-Spitze Korsikas, um den nur 1 sm entfernten kargen Felsen Giraglia rum und dann noch die letzten 80 sm bis ins Ziel vor Genua. Ca. 260 sm lagen vor uns sowie mind. 2 Nächte auf See, die für eine Meisterschaft Pflicht sind.

Der Start erfolgte bei Leichtwind. Bald kam frischer Wind aus SE, für den wir uns optimal positioniert hatten. Nach der Wende lagen wir so nämlich in Luv des Feldes. Unser Speed war gut, wir konnten mithalten bzw. zu Konkurrenten sogar aufschließen.  Dieser erste Teil im eng zusammenliegenden Feld machte richtig Spaß. Hier und da kleine Wendetaktiken und wir arbeiteten uns sogar in die Spitzengruppe vor! Eine erste wegweisende taktische Entscheidung stand bei der Umrundung Elbas an. Sollte man nun östlich oder westlich an der großen Insel vorbei?

Wir hielten uns diese Entscheidung noch lange offen, blieben in der Mitte positioniert. Schließlich erschien uns die E-Seite von Elba windsicherer, außerdem würde uns auf der W-Seite Windabdeckung drohen aber auch 27 kn Wind vor Korsika erwarten. Der Survivalmode brächte keinen Speedvorteil. Also wendeten wir nach Bb. Im Morgengrauen huschte ca. 3 sm vor uns ein Konkurrent vorbei, der offenbar die gleiche Wahl getroffen hatte. Er erwischte auf dem weiteren Anlieger nach Isola di Montecristo ein besseres Windfeld und baute seinen Abstand aus. Dies war der spätere Europameister. Kurz vor Montecristo segelte ein weiteres Boot vor uns um die Insel, ein zweites behielten wir im Heckwasser. Wir passierten also als drittes Schiff dieser EM diesen südlichsten Waypoint! Unsere Taktik war bisher also gut aufgegangen.

[Fotos © Melanie Aalburg]

Endlich ging der Gennaker hoch! Die folgende Passage zur N-Spitze von Korsika um den Felsklotz Giraglia war einerseits durch gefährlich flaue Abschnitte geprägt, aber auch durch die regelmäßigen Sécurité-Meldungen, die vor starken Böen in der nördlichen Korsikaregion warnten - also dem Gebiet, das wir passieren mussten.

Entgegen der Windvorhersagen entschieden wir uns, zügig den Weg nach Korsika und über die Verkehrstrennungsgebiete zu suchen. Nachts trafen uns urplötzlich harte Schauerböen, die die Berge herunterpfiffen. Die extrem enge Passage (1 sm breit) zwischen Korsika und Giraglia bestitten wir deswegen im 1. Reff und hier trafen wir uns alle wieder. Die italienischen Sieger berichteten uns später, hier auf Böen bis 37 kn Wind getroffen zu sein. Wir passierten als 4. jedoch in Sichtweite zu Platz 3 und 2.

Raumschots ging es auf die letzte Etappe Richtung Ziel nach Genua. Ca. 80 sm wollten wir nochmal alles geben und eine Topplatzierung unbedingt versuchen. Unter Code 0 surften wir mit bis zu 16 kn die inzwischen hohen Wellen hinunter. Fabian hatte sichtlich Spaß dabei und pumpte mit dem Groß als wäre es seine Europe. Wir nahmen uns vor, die anderen nicht mehr aus den Augen zu lassen. Eines der Teams zeigte eine sehr effektive Steuer- und Trimmtechnik, der wir nichts entgegenzusetzen hatten. Wir kamen einfach nicht ran. Sie fuhren aber auch nicht weg. Irgendwann änderten wir einfach unsere Strategie. Wir konzentrierten uns in der glühenden Hitze nur noch auf uns und unseren Speed. Es erforderte insbesondere nach 2 Tagen fast ohne Schlaf ein Höchstmaß an Konzentration die Figaro konstant am Laufen zu halten.

Siehe da, plötzlich überholten wir beide! - quasi „ganz easy“ - und positionierten uns von da an konsequent zwischen Ziel und Gegner. So segelten wir also als zweite bei untergehender Sonne auf Genua zu. Es folgte ein nicht enden wollender Flautenpoker. Wir suchten und fanden tatsächlich Landwind und konnten uns nochmal etwas absetzen, anschließend kamen beide Schiffe aber schon wieder auf. Da spielte plötzlich eine Gruppe von Delphinen mit uns, als hätte sie jemand geschickt, uns nochmal aufzumuntern. Die Tiere zeigten Kunststücke der Extraklasse - mit Rückwärtssalto - als wären sie einer Zirkusshow entwischt. Aber auch sie schafften es nicht, uns mal einen kurzen Moment zu entspannen. So konzentriert waren wir auf Speed und Böen. Aber dies war dann der Moment, wo Fabian zu seiner Tüte Gummibärchen und ich zu meiner Lakritze griff.

Es wurde dunkel. Vor uns lag die Skyline von Genua mit unzähligen Lichtern – auch roten Blinklichtern. Eines davon sollte unser Ziel kennzeichnen. Uns war klar, dass es hier bei der Vergabe der Medaillen um Meter gehen würde und wir keinen verschenken durften! Ich informierte daher das Zielschiff über WhatsApp, dass ich sie nicht sehen würde und ob sie sich irgendwie sichtbar machen könnten.

Ca. 1 sm vor dem Ziel überholte uns ein Konkurrent. Nun ging es also um Bronze. Das hinter uns liegende Boot kam mit einem Hauch von mehr Wind immer deutlicher auf und schickte sich an, das Zielschiff an Bb.!! lassen zu wollen. Ich hatte extra nochmal die Hinweise für den Zieldurchgang gelesen und war daher sicher, das Zielschiff bleibt an Stb und die unbefeuerte kaum zu erkennende Ziel-Boje an Bb. Irritiert über die Kurswahl der Konkurrenten rief Fabian zum Zielschiff während wir die Linie passierten: „Are we ok?“ „No! You have to come from the other side!“ erklang es vom Zielschiff. Fassungslos korrigierten wir unsere Zieldurchfahrt und finishten als unglückliche 4. Da war er wieder unser Leitspruch: „Expect the unexpected! From start to finish“.

Publikumswirksam wurden alle 10 Figaros mitten im futuristisch gestalteten Hafen von Genua untergebracht, den wir gegen 3 Uhr nachts erschöpft vom harten Kampf der vergangenen 2,5 Tage, teils in glühender Hitze, und mit kaum Schlaf erreichten. Am nächsten Morgen klarierten wir das Schiff auf und waren pünktlich zur Preisverleihung mit allen Arbeiten fertig. Noch ungeduscht gingen wir in Segelsachen, so wie wir waren, zur Preisverleihung. Luigi, der Wettfahrtleiter, gratulierte uns, wir seien gut gesegelt, nur was sei zum Schluss passiert? Ich berichtete ihm was sich ereignet hatte, denn er selbst war nicht auf dem Zielschiff gewesen. Luigi zeigte sich geschockt, gab uns recht, das Ziel richtig angesteuert zu haben und ermutigte - nein bedrängte uns - eine Wiedergutmachung einzufordern. Bronze sei uns sicher. Währenddessen wurde auf der Bühne die Preisverleihung vorbereitet.

Ich ging nun in mich - viel Zeit hatten wir jetzt nicht - und ließ daher nur mein intuitives Bauchgefühl entscheiden. Ich stellte mir vor, wie man uns die Medaille umhängt, während die anderen, die sich eben noch freuten nun leer ausgingen. Wie würde man sich bei zukünftigen Events begegnen?

Das ergab bei mir überhaupt kein gutes, kein stolzes Gefühl, obwohl wir im Recht waren. Fabian empfand es genauso. Dies ist der Grund, weshalb wir einstimmig darauf verzichteten, eine Wiedergutmachung zu beantragen. Und so klatschten wir für die drei Teams auf dem Treppchen. Der EM-Titel ging verdient an ITA.

Bei anschließenden Getränken mit Häppchen führten wir nette Gespräche mit den anderen Seglern. Lustig, der Sieger segelt noch bis heute seine Europe. Er sei mal Teampartner von Jörg Riechers gewesen und empfahl mir das Mini-Transat auszuprobieren. Ich hätte bestimmt gute Chancen. Unsere Zielstory hatte sich natürlich rumgesprochen. Bei allen Teams ernteten wir für unsere Entscheidung höchsten Respekt.

Fabian und seine Freundin machten nun noch eine Woche Urlaub. So saß ich nachmittags in einem netten Kaffee im Schatten, inzwischen geduscht, und gönnte mir einen Caffe americano und ein Stück Kuchen. „War unsere Entscheidung richtig? Was ist eine Medaille wert? Geht es nicht stets darum, sein bestmögliches Rennen gesegelt zu sein und alles gegeben zu haben, so dass man mit sich zufrieden sein kann? Haben wir das? Ja, das haben wir! Meine Lernkurve nach nur drei bestrittenen Figaro-3-Rennen macht mich mehr als zufrieden. Zudem hat unser Team super funktioniert. Taktisch waren wir uns immer einig. Die Zweikämpfe waren fordernd und haben genau deswegen riesigen Spaß gemacht. Einfach fantastisch. Und da grüßt Cecilia die Dauersiegerin vom letzten Jahr eigentlich schon wieder. Nach der WM letztes Jahr fragte sie uns: „Did you have good fights“ „Yes!“ „Did you have fun?“ „Yes, we did!“ „So, you had a good race!“ würde sie nun wieder sagen.

Cecilia habe ich übrigens (fast) wieder getroffen. Am kommenden Tag ging ich zur feierlichen Eröffnung des Ocean Race Village und genoss diese einzigartige Atmosphäre. Da erschien Cecilia plötzlich auf einer riesigen Leinwand als Liveschaltung. Sie gehört aktuell zum österreichischen Ocean Race Team und wurde als italienischer Segelstar von ihren Fans gegrüßt und bejubelt. 

Mir scheint, als wäre dieses Kapitel so noch nicht zu Ende. Wir haben da wohl noch eine Rechnung offen.

Eure Melanie

Links:

  Bericht des Veranstalters (italienisch)

  Alle Ergebnisse (PDF)

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