Regatten

Vom SVSt veranstaltete Regatten, Wettfahrtkalender, Regattaberichte von auswärtigen Regatten unserer Segler und Seglerinnen,

Chancen genutzt - Bronze gesichert

Fabian und ich hatten aus dem vergangenen Jahr noch eine Rechnung offen. Wir hatten bei der EM 2023 zwar einen 3. Platz ersegelt, sind aber am Ende nicht mit einer Medaille belohnt worden (siehe Bericht 2023).

Mein Co-Skipper und ich wollten nun nochmal versuchen unser Potential auf der Figaro-3 bei einer Offshore-EM zu zeigen.

Dies ist erst unsere 2. gemeinsame Saison. Unser Start vergangenes Jahr verlief so vielversprechend, wenn da nicht immer wieder skurrile Regelauslegungen unserem Erfolg im Wege gestanden hätten.

Wir hätten jetzt auch sagen können: „Da treten wir einfach nicht mehr an.“

Aber irgendeine innere Stimme sagte uns beiden, dass wir uns nicht beirren lassen sollten – die Begeisterung für dieses Regattaformat „double handed mixed“ und diese Chance so eine moderne Bootsklasse segeln zu dürfen überwog einfach so sehr und ist für uns im Grunde mehr wert als jedes Regattaergebnis auf dem Papier.

Nun lagen wir auf einer Wiese im Schatten – im hermetisch abgeschlossenen Militärgebiet des „Arsenale“ mitten in Venedig – fern ab von jedem Touristentrubel. Vögel zogen am wolkenlosen Himmel ihre Bahnen.

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Wann hatte ich zuletzt so viel Freizeit, einfach auf einer Wiese liegend in den Himmel zu starren. Zu viel hielt mich dieses Jahr in Atem. Zu wenig davon hatte mit echtem Segelsport zu tun.

Vor uns lagen sie nun – die 10 Regattaboote des Typs Figaro-3. Außer uns war noch niemand da. Wir waren die ersten. Pünktlich zu 13 Uhr standen wir an der Passkontrolle zum Militärgelände. Sogar schon mit dem fertigen Einkauf unserer Wasserflaschen. Typisch deutsch.

„Ich würde ja die Nr. 7 bevorzugen“ konstatierte Fabian, der sich alle Boote genauestens betrachtet hatte. Diese werden jedoch zugelost. Als eine halbe Stunde später die Organisatoren mit einem Ribb angefahren kommen, ist der Empfang herzlich und Andrea unser Savetymanager zeigt auf ein Boot: „This ist your boat, guys“. Es ist das Boot Nr.7!

Den Aufbau einer Figaro-3 kennen wir inzwischen gut. Schließlich ist dies inzwischen meine 7. Figaroregatta. Wir kommen zügig voran, so dass wir mit untergehender Sonne unser Boot in den nahegelegenen Yacht Club de Venezia verlegen. Neben uns nehmen die freundlichen Schweden ihren Platz ein und gegenüber liegt das Team aus Holland. Die meisten der weiteren Mitstreiter aus GER, GBR, POL und NOR kennen wir bereits. Der Umgang untereinander ist freundlich und hilfsbereit dennoch kümmert sich jedes Team natürlich in erster Linie um sich selbst.

Unsere Liste an weiteren Kontroll- und Wartungsarbeiten an Bord unseres Bootes Nr 7 ist lang. So sind wir locker die folgenden 2 Tage beschäftigt ohne nur einen Gedanken an Manövertraining zu verschwenden. Die Foils lassen sich z.B. kaum verstellen und so bauen wir es nochmal vollständig aus. Wir haben uns vorgenommen dieses Jahr mehr damit zu arbeiten.

Fabian taucht zudem nochmal mit einem Schwamm das gesamte Schiff ab. Inzwischen hat sich der Himmel zugezogen, es ist kalt geworden und ab und zu ergießt sich ein Regenschauer über das sonnenverwöhnte Venedig. Wir sind froh anfangs noch abends in einer Unterkunft warm und trocken von allem abschalten zu können. Die Windvorhersage für den 2. Okt (Starttag) lässt jedoch keine wirkliche Entspannung zu. 35 - > 40 kn Wind! Das entspricht Windstärke 8-9. Eigentlich steht das gesamte Mittelmeer - nicht nur die Adria – ausgerechnet in diesen Tagen unter „Feuer“.

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Es stellte sich zumindest bei mir langsam diese typische „save energy - Haltung“ ein. Spare deine Energien, ruhe dich aus so lange du kannst. Sturm ist erst, sobald er auch wirklich da ist und nicht schon vorher. Das sagt sich so leicht.

Die Wettfahrtleitung, die dieses Jahr in leicht veränderter Zusammenstellung agierte, wirkte klarer als sonst. Sie machte wirklich einen guten Job. Es kam mehrfach zu Startverschiebungen. Die Fluttore zu Venedig wurden sogar geschlossen, keiner kam mehr rein noch raus. Dazu goss es wie aus Kübeln.

Am Fr. dem 4. Okt. war es endlich soweit!

Nach einer unruhigen, kalten Nacht an Bord, in der Winde um die 40 kn das Schiff noch einmal ordentlich rüttelten und schüttelten, wurde der Morgen friedlicher und wir durften endlich die Leinen für einen nun verkürzten Kurs von ca. 160 sm kreuz und quer über die Adria loswerfen.

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Über Nacht hatten sich jedoch unsere Werbebanner am Gennakerfall losgerissen, so dass das Fall nun hoch oben im Wind vom Masttop aus wehte. Es gelang uns zum Glück ohne Mastklettern das Fall zurückzuholen.

Die Wettfahrtleitung hatte sich nun mit dem Start zu beeilen, um vor der nächsten Schließung der Tore wieder zurück in den sicheren Hafen zu kommen. Wir wurden also angehalten uns beim Startverfahren zu disziplinieren.

Endlich draußen, endlich Segel setzen. Wir bereiteten alle Segelkonstellationen - auch den Gennaker - für den Start vor. Der Motor wurde ausgestellt und Fabian kümmerte sich um die vorgeschriebene Verplombung des Motors. Aufgrund eines Materialfehlers oder vielleicht auch nur wegen zu starker Power rissen die Kabelbinder! Oh nein! Was nun? Die Zeit rannte. Über Kanal 72 wurde der Countdown der letzten Minuten bereits runter gezählt. Die Dokumentation über die Verplombung erfolgt über eine Spezial-App. Auch diese wollte nicht funktionieren.

„Komm! Lass uns jetzt erstmal Starten! Wir kümmern uns später um dieses Problem (Verplombung des Motors für die Regatta).“

Und so starteten wir mehr schlecht als recht. Nur 2 Schiffe lagen noch hinter uns.

Heftige Böen fegten zum Start über uns hinweg. Uns gefiel das aktuell gewählte Setting aus Fock und gleichzeitig Code-0 aber erstaunlich gut. Wir konnten mit mehr Speed wieder Boden gut machen. Mit bis zu 17 kn fegten wir nur so dahin.

Ich fotografierte derweil den defekten Kabelbinder und schickte eine herkömmliche WhatsApp an die Wettfahrtleitung. Ich dokumenteierte alles penibel im Logbuch für eine mögliche Anhörung im Anschluss an die Regatta. Fabian war unterdessen in seinem Element und steuerte unsere Figaro Nr. 7 wie eine Jolle über die tosende graue See.

Dies waren keine Gennakerbedingungen mehr und so war es sicherer ihn zügig vom Vorschiff zu bergen, bevor ihn sich die Wassermassen Stück für Stück greifen. Mein erster Versuch endete unverrichteter Dinge. Zu schräg, zu gefährlich! Ich sah mich schon selbst über Bord gehen. „Stop!“

Mein Ölzeug war inzwischen komplett gewässert als ob ich mir einen Eimer Wasser nach dem anderen in den Ausschnitt gekippt hätte.

Wir entschieden uns weiter abzufallen, stellten den Autopiloten an und arbeiteten besser zu zweit auf dem Vordeck. Anschließend brachten wir endlich Ruhe ins Schiff und konzentrierten uns auf Speed und Kurs. Im Grunde bestand nun unsere Aufgabe darin, Chancen zu erkennen und zu ergreifen, wenn sie sich einem bieten, um sich Stück für Stück nach vorne zu arbeiten. Gesagt getan!

Nach einem kurzen sonnendurchfluteten Windloch mit kurzer Atempause erwischten uns ausgesprochen unstete Böen eines kleinen lokalen Tiefs direkt von Achtern.

Sie gingen hoch bis an die 30 Knoten. Diese ritten wir konzentriert ab. Ein Konkurrent setzte tollkühn seinen Gennaker, der kurz darauf in zwei Teile riss. Nein, das machten wir ihm nicht nach. Nun war eher defensives Verhalten gefragt. An der ersten Wendemarke vor der kroatischen Küste reihten wir uns immerhin als drittes Schiff ein. Die beiden Skandinavier aus SWE und NOR segelten vor uns aber in Sichtweite. Direkt hinter uns wendete das sympathische Team aus Südafrika.

Es folgte eine lange Kreuz zurück Richtung Westen um eine Ölplattform herum, die wir nachts im dunkeln passierten. Wir genossen den direkten Vergleich mit den anderen. Ich versuchte am Ruder keinen Winddreher auszulassen und jede Welle so optimal es ging auszusteuern. Zeitweilig wirkte es so als könnten wir die Skandinavier sogar einfangen – dank eines Winddrehers. Diese Momente sind es, weswegen wir trotz diverser Strapazen diese Offshore- und Einheitsklassenrennen so lieben. Genau dafür machen wir das alles!

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Derweil ereignete sich an Bord des südafrikanischen Teams ein folgenschwerer Sturz der Skipperin. Sie musste sogar von einem Helikopter aus abgeborgen werden und wurde in einem Krankenhaus behandelt. Ihr Co-Skipper segelte das Boot anschließend alleine zurück nach Venedig.

Um die Ölplattform nahm der Wind stetig ab. Wir wechselten auf den Gennaker und navigierten durch ein Wirrwarr von Verbotszonen. Hier waren 0,5 sm, da 1 sm Abstand einzuhalten. Zu allem Überfluss mussten Verkehrstrennungsgebiete gekreuzt werden. An Steuerbord blitze und donnerte es, gleich würde bestimmt der Wind in voller Stärke aufdrehen. Wir ließen den Gennaker offensichtlich etwas länger stehen als die beiden vor uns platzierten Teams. Nun hatten wir sie deswegen sogar eingeholt! Während wir jedoch noch mit dem Bergemanöver beschäftigt waren zogen NOR und SWE mit dem frischen Wind wieder an uns vorbei und so lagen wir erneut auf Pos. 3.

 

Mit dem Tagesanbruch nahm der Wind immer weiter zu, dazu gab´s Regenschauer und schlechte Sicht – Nordseefeeling! Wir kreuzten alle tapfer wieder Richtung Venedig zurück. Dort mussten wir das vorgelagerte „Breakwater“ runden und wieder raus auf die ungemütliche Adria zum ca. 20 sm entfernten Seezeichen, das an Stb. gelassen werden sollte. Seit dem Start vor ca. 26 Stunden hatte keiner von uns nur ein Auge zugetan.

Der Abstand zu den beiden Spitzenreitern verkürzte sich nicht. Auf der anschließenden Strecke, die erneut zur Ölplattform führte, konnte der Gennaker gezogen werden. Es waren diverse Halsen nötig. Wie schon in der Nacht zuvor flaute der Wind in dieser Gegend wieder deutlich ab. Ein nervenaufreibendes Spiel mit dem Gennaker und der peniblen Einhaltung des vorgegebenen Abstands zur Plattform begann. Achtern baute sich derweil eine riesige Regenfront auf, in die inzwischen die nachfolgenden Konkurrenten vorgefahren waren. Das konnten wir gut erkennen.

Wir malten uns schon ein Szenario aus, in dem die nachfolgenden Boote uns locker überholten während wir in der Flaute fest hängen. Wir bemühten uns also um jedes bisschen Speed.

Irgendwann lagen die vielen Engstellen und Verkehrstrennungsgebiete, die wir von der ersten Runde schon kannten, hinter uns. Dann brach der Wind plötzlich völlig ein! Unser Boot wurde zum Spielball der konfusen Adriawelle. 2,5 kn war das Äußerste, was wir nun unter Gennaker mühsam und immer nur kurzfristig hinbekamen. Denn die Wellen zerschlugen kurzer Hand jede Fahrt. Irgendwann drehten wir uns sogar um uns selbst, währen die zweitplatzierten SWE ca. 500 Meter vor uns plötzlich mit Schräglage und Fock und Groß davonfuhren. Bei uns hingegen zeigte sich kein Hauch Wind. Nichts!

Wir trauten uns kaum zurückzublicken. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten auch wir dieses lokale Windfeld und stürmten nun auch unter Fock und Groß der Einfahrt von Venedig entgegen.

Die Wolken verflogen, der Himmel riß auf und die untergehende Sonne färbte den Himmel in den wunderschönsten Farben. 

So als wolle uns jemand von oben ein Zeichen geben: „Fahrt ins Licht! Dort ist euer Ziel! Alles wird ein gutes Ende nehmen.“

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Für die Einfahrt nach Venedig (Stadt) – unsere Ziellinie lag nämlich mitten in der Stadt - wechselten wir nochmal auf den größeren Code-0.

Der Wind nahm hier erwartungsgemäß weiter ab. Nun wurde es spannend. Nicht nur der Schiffsverkehr, sondern auch die Strömung auf dem Weg zum Canale Grande hatten es in sich. Werden wir so kurz vor dem Ziel noch den Anker fallen lassen müssen wie ich es bei einer Cowes Week im Solent schon erlebt hatte? Wir waren auf alles gefasst!

Die Strömung war rechts etwas stärker und zum Glück mit uns.

So trieben wir schließlich mehr als dass wir segelten nach intensiven 36 Stunden über die Ziellinie dieser Double handed mixed Offshore Europameisterschaft und sicherten uns hinter NOR und SWE tatsächlich die Bronzemedaille!

 

Gedanken zum Schluss

Wie fühlte sich dieser Zieldurchgang für uns nun an? Empfanden wir überschwängliche Freude, es nach dem zweifelhaften Verlust im vergangenen Jahr nun endlich geschafft zu haben? Nein!

STILLE ERLEICHTERUNG trifft es besser. Erleichterung darüber, dass nun kein Flautenloch es der Konkurrenz nochmal leicht machen wird und ERLEICHTERUNG, dass kein Penalty drohte, nach dem wir unsere Daten über unsere defekte Motorversiegelung offenlegten.

Hätte mir damals als ich mit 11 J meine ersten Optiregatten gesegelt bin jemand prophezeit, dass ich eines Tages mal eine internationale Medaille bei einer Offshore EM für den Stößensee gewinnen würde, hätte ich das nicht für möglich gehalten und ich hätte es sicher auch gar nicht angestrebt.

Seit meiner Jugend mache ich im Grunde nichts anderes als Chancen, die sich mir bieten, wahrzunehmen. Nicht mehr aber auch und nicht weniger.

So wie wir in einer Regatta im Grunde auch nichts anderes tun als nach Chancen für den schnellsten Weg ins Ziel zu suchen. Mal erkennen wir sie, mal lassen wir sie ungenutzt liegen.

Diese Einstellung hat mich weiter gebracht, als ich es mir je hätte erträumen können!

Eure Melanie

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