Wir waren gespannt, ob wir alles noch genauso machen konnten wie ehedem. Auf jeden Fall hatten wir uns vorgenommen, ganz „tranquillo" und bedächtig die Sache in Angriff zu nehmen nach dem Motto: keine Experimente.
Wie damals sollte uns der Weg über die Kapverdischen Inseln nach Brasilien führen und dann entlang der südamerikanischen Nordostküste in die Karibik. So sollte es diesmal auch sein.
1. Reiseabschnitt: Kanarische Inseln (Teneriffa) - Kapverdische Inseln (Sao Vicente/Mindelo)
Nachdem wir im Sommer 2017 nach Teneriffa gesegelt waren, bereiteten wir unser Boot, eine Nissen 38 aus Aluminium, in Santa Cruz de Teneriffa auf die längeren Seestrecken vor. Durchsicht von Segeln, Motor, Elektronik, Rettungsmitteln, nautischem Material usw. beschäftigten uns rund um die Uhr.
ln Vorbereitung der Reise hatten wir vollständig neue Segel angeschafft, wofür wir später außerordentlich dankbar waren. Unser Boot verfügt über zwei Rolfocks (Fock und Genua), die auch als Passatsegel gefahren werden können, da wir zwei Spinnakerbäume haben Das Großsegel hat drei Reffs und der Großbaum wird durch eine Baumbremse stabilisiert. Da wir drei Winschen auf jeder Schiffsseite haben, können fast alle Schoten und Leinen über Winschen geführt werden. Trotzdem ergibt sich, wenn alle Segel aufgebaut sind, häufig ein ziemlicher Leinensalat, der geordnet werden will. Da wir nur zu zu zweit an Bord sind, haben wir auf die Anschaffung eines Spinnakers oder ähnlicher Vorsegel verzichtet.
Wir kontrollierten das im Vorfeld erneuerte stehende Gut. Unser zuverlässiger Bukh - Motor bekam einen Ölwechsel und einen gründlichen Check. Desgleichen überprüften wir die Rettungsmittel (Rettungsinsel, Schwimmwesten, Leuchtmunition, Seenottonne mit der wichtigsten Überlebensausrüstung, zwei schwimmfähige Kanister mit Trinkwasser, Seenotkragen, Laufleinen an Deck).
Wir überprüften die Vollständigkeit der nautischen Karten und Handbücher sowie das Funktionieren der Bordelektronik (Log, Lot, Windlupe, GPS – jetzt 25 Jahre alt und funktionsfähig –, Ersatz-GPS, AIS, UKW, Windgenerator und Solarpaneele). Mit dem Kurzwellensender empfangen wir über den Amateurfunk die Gripfiles und bekommen von einem befreundeten Funkamateur Wetterinformationen.
Unsere Seekojen im Salon wurden verbessert, allerdings noch nicht mit absolut überzeugendem Ergebnis. Also teilten wir uns meist die Leekoje.
Am 10.10.2017 verließen wir, nachdem noch im Fischereihafen Diesel gebunkert wurde, Teneriffa mit dem Ziel Mindelo auf Sao Vicente. 900 sm in blauem Wasser bei zu erwartenden achterlichen Winden lagen vor uns. Bald stellte sich auch der Passat in einer handigen Stärke ein, so dass wir die Passatsegel setzen konnten. Abgesehen davon, dass wir am dritten Tag reffen mussten, blieben die Vorsegel ausgebaumt, bis wir in der Ansteuerung von Mindelo waren. Lediglich der Saharastaub, der sich gelblich-braun überall ablagerte, trübte das herrliche Passatsegeln. Außerdem kollidierten wir mit einem mittelgroßen Wal (Indischer Grindwal?), der wohl einen blauen Flecken davongetragen haben dürfte, bei uns aber keine Schäden hinterließ.
Gegen 8.00 Uhr morgens liefen wir in Mindelo ein und konnten in der Marina einen Stegplatz bekommen. Allerdings war der Platz sehr unruhig, da ein starker Schwell in den Hafen setzte und die Boote heftig an ihren Festmachern zerren ließ.
Vor 25 Jahren lagen insgesamt drei Schiffe vor Anker. Jetzt sind es 100. Die Stadt ist größer, nicht reicher und, wie wir fanden, nicht schöner geworden.
2. Reiseabschnitt: Kapverdische Inseln ‒ Brasilien (Fernando de Noronha/Cabedclo)
Nach 10 bequemen Hafentagen verließen wir am 26.10.2017 ohne großes Bedauern Mindelo und machten uns auf den Weg in die neue Welt. Da die Hurrikans auf der Nordhalbkugel oft in der Nähe der Kapverden entstehen, warteten wir bis Ende Oktober mit der überfahrt; dann ist die Gefahr von entstehenden tropischen Depressionen bereits recht gering.
Da die Äquatorialströme sehr kräftig nach Westen setzen, ist es nötig, von Mindelo aus zunächst Kurs Süd zu fahren, um beim Auftreffen auf den Südostpassat genügend Luv zu haben. Andererseits ist der Kalmengürtel auf der Ostseite des Atlantiks deutlich breiter als auf der Westseite. So muss man einen Kompromiss schließen.
Bereits auf 10 Grad Nord setzte die Flaute der Kalmen ein, so dass wir die Segel bargen und den Motor starteten. Aber bereits nach einem Tag setzte leichter Ostwind ein, der allmählich zunahm. Leider wurde das angenehme Segeln mit halbem Wind durch stürmische Winde jäh unterbrochen. Bereits über Funk hatten wir die Wetternachricht über einen Monsuntrog erhalten. Weitere Anzeichen für eine Wetterverschlechterung gab es zunächst allerdings nicht. Dies änderte sich bald, denn sehr plötzlich einsetzende Böen ließen uns unsere Segel immer weiter reffen. Mitten in der Nacht gab unser Windmesser Alarm, was ab 45 Knoten geschieht. Andere Segler berichteten uns später, dass sie 51 Kn gemessen hätten. Wir hatten in dieser Bö, die bis zum Morgengrauen anhielt, alle Segel geborgen und liefen trotzdem mit der Aries bei Backstagwind recht komfortabel. Auch an den folgenden Tagen hielt das sehr böige Wetter an, nachts steigerten sich die Böen oft auf Sturmstärke. Da wir die Segel bei den sehr plötzlich einsetzenden Böen gar nicht schnell genug geborgen bekamen, segelten wir meist mit sehr wenig Tuch, was zu einer relativ geringen Durchschnittsgeschwindigkeit beitrug. Am 6.11.2017 überquerten wir den Äquator nachts um 1.30
Uhr auf 28.32 West.
Erst nach 14 Tagen kam Fernando de Noronha in Sicht, die schöne Brasilien vorgelagerte Insel, die wir vor langer Zeit zweimal besucht hatten. Leider wurde der Aufenthalt nicht nur durch das hohe Hafengeld (100 $ pro Tag), was wir in Kauf nahmen, getrübt, sondern durch einen unangenehmen Schwell (ca. 1,5 m) und Schwärme brasilianischer Touristen. Trotzdem ist Fernando nach wie vor eine traumhafte schöne Insel, aber noch einmal werden wir wohl nicht dorthin segeln.
Nach drei Tagen brachen wir zum brasilianischen Festland auf, ca.250sm bis Jacare/Cabedelo, dem Hafen einer kleinen brasilianischen Großstadt mit 2 Mio. Einwohnern. Leider war auf dieser Fahrt unsere Aries nicht zu gebrauchen, das Mitnehmerzahnrad hatte sich gelöst, weil einige Hülsen ausgeschlagen waren. Eine fachmännische Reparatur konnte in Jacare durchgeführt werden. Dort gibt es auch eine kleine Marina, die von einigen Franzosen betrieben wird. Da sie in einem Fluss mit sehr starker Tidenströmung gelegen ist, machten wir in der Marina am Steg fest. Außerdem hatte der Außenborder seinen Dienst eingestellt, da wir statt Benzin Diesel eingefüllt hatten. Unsere Reservekanister waren falsch beschriftet - ein kleiner Fehler mit großen Folgen.
Der Aufenthalt in Jacare war bequem. Es gibt Versorgungsmöglichkeiten, eine Schiffswerft, einen Segelmacher u.a.m. und man kann sich in der Marina weitgehend sicher fühlen, was man aber leider für die Umgehung nicht sagen kann. Letztlich verzichteten wir aus Sicherheitsgründen darauf, andere brasilianische Häfen an der Nordostküste anzulaufen, was wir vor 25 Jahren noch getan haben. Wie uns andere Segler erzählten, soll die Sicherheitslage im Süden Brasiliens wesentlich unproblematischer sein. Aber diesmal sollte es nach Nordwesten weitergehen.
3. Reiseabschnitt: Brasilicn (Cabedelo/Jacare) - Franzosisch Guayana
Nach knapp vierwöchigem Aufenthalt verließen wir am 24.12.2017 Jacare und nahmen Kurs auf die 1400 sm entfernten Teufelsinseln, die durch Roman und Verfilmung von „Papillon" bekannt geworden sind. Unsere heimliche und nicht ausgesprochene! Hoffnung war es, bereits Weihnachten, also nach zehn Tagen, einen netten Ankerplatz vor den Inseln zu finden. Diese schnelle Reise wird durch den stark nach Westen setzenden Guayanastrom und den starken Südostpassat ermöglicht. Die einzige Störung bei dieser Etappe wurde durch die Bewachungsmannschaft einer Bohrinsel verursacht, die uns in der zweiten Nacht ansprach und uns aufforderte, einen bestimmten Kurs zu steuern. Dies bereitete uns einige Schwierigkeiten, da wir unter Passatbesegelung liefen. Nachdem wir die Segel geborgen hatten, konnten die Passatsegel auf dieser Strecke leider nicht mehr gesetzt werden, da der Passat meist eine nördliche Komponente hatte.
Am Tag vor unserer Ankunft stellte sich leider eine Passatstörung ein: Boen bis 32 Kn, starker Regen, nachts äußerst unsichtiges Wetter, ein Strom, der uns mit einer Geschwindigkeit von bis zu vier Kn auf unsichtbare Inseln zutrieb und zu allem Übel auch noch der Ausfall des GPS. Beim Ausfall unseres alten, geliebten GPS-Navigators gingen leider auch alle Daten verloren. Wir bedauerten das sehr. Gefährlich war die Situation nicht, hatten wir doch einen Ersatz-GPS und ein Programm von Navionics auf dem Tablet, aber unangenehm ist ein Landfall bei diesen Bedingungen allemal. Wir konnten bis in die Morgenstunden hinein unsere Position halten und erreichten den Ankerplatz auf den lsles du Salut am 24.12.2017 gegen 8.00 Uhr.
Nachdem wir etwas gefeiert und uns die Inseln angesehen hatten,sollte es nach Kourou, ca. 10 sm entfernt und in einer Flussmündung gelegen, gehen. Die französischen Supermärkte sind doch zu verführerisch. Allerdings gestaltete sich unsere Ankunft etwas dramatisch, denn Wolfgang musste umgehend ins Krankenhaus - er hatte sehr viel Blut im Urin. Nach etlichen Untersuchungen konnte Entwarnung gegeben werden, verzögerte aber unsere Abreise um Wochen. Die Zeit nutzten wir zum Besuch des europäischen Weltraumbahnhofs in Kourou, von dessen Größe wir sehr beeindruckt waren. Außerdem machten wir Ausflüge an den Strand und in den Dschungel, wo sogar Wanderwege angelegt sind. Der Ankerplatz ist allerdings etwas unbequem. Man liegt in einem Flussbett mit starken Gezeitenströmen und der z.T. recht starke Wind bläst ungebremst in die Mündung hinein. Außerdem herrschte gerade Regenzeit, was allerdings den Vorteil hatte, dass es nicht so heiß wie in Brasilien war.
4.Reiseabschnitt: Französisch Guayana (Kourou) – Barbados
Aus Sicherheitsgründen liefen wir nicht nach Trinidad/Tobago, denn vor der Küste Venezuelas gibt es vereinzelt Piraterie. Stattdessen steuerten wir das 600sm entfernte Barbados an. Die Fahrt dorthin verlief erfreulich ereignislos. Nach wie vor war der Himmel bedeckt, häufig regnete es und der Wind war weiterhin böig. Natürlich kamen wir wieder nachts an. Gegen 24.00 Uhr ankerten wir in der vollen Carlisle Bay in einem unangenehmen Schwell. Am Folgetag verlegten wir nach Port St. Charles, einer Luxusmarina mit einer guten Möglichkeit zur Einklarierung, einer guten Bar und mäßigem Ankerplatz. Dafür hat man das Gefühl, dass jederzeit James Bond um die Ecke kommen könnte. Damit waren wir in der Karibik angekommen. Von Teneriffa bis Barbados legten wir in 115 Tagen (davon 64 Hafentage) 4542 sm zurück.
Boot und Rentnercrew haben die Reise bestens überstanden und freuen sich auf neue Ziele.