Segler-Verein Stössensee e.V.

Segeln auf der Sonnenseite der Havel
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Seereise der Pulpo '21 - Tag 9-12 – Swinemünde, ..., Trzebiez

03.09.2025

"Fehlbar und hinfällig, ein bischen pulsierendes Leben mit Beinen wie Pudding, mehr bin ich nicht. Um mich herum sind die großen Naturgewalten - kolossale Bedrohungen, Titanen der Zerstörung, empfindungslose Ungeheuer die sich weniger um mich sorgen als ich mich um die Sandkörner, die ich unter meinen Füßen zerdrücke."
Jack London, The cruise of the Snark

Dies ist der Bericht der Abenteuerreise mit unserer Segelyacht Pulpo auf dem Weg von Berlin um die polnische Insel Wollin durch die Ostsee. Die Pulpo, ein schwedisches Segelboot ist ziemlich alt und etwas überholungsbedürftig. Trotzdem war dies ein lohnender und sehr lehrreicher Trip - einfach lesen.

Logbuch der S/Y Pulpo, TAG 9 – Swinemünde

Wir segeln an diesem Tag aus dem geschützen Hafen hinaus auf die offene Ostsee, wo sich ein Sturm zusammenbraut und folgen der Fahrrinne für einige Tonnen. Auf der Navikarte sind einige Hindernisse und Gefahren unter Wasser verzeichnet. Vielleicht wäre es eine bessere Idee gewesen, ins westliche Haff zu fahren und dem Peenestrom in die geschützeren Boddengewässer zu folgen. Von hier geht es direkt hinüber nach Sassnitz auf Rügen, durch die offene Ostsee, aber leider gibt es diese Sturmwarnung. Ich fühle mich auch irgendwie nicht bereit, eher so wie in dem Zitat von J. London, mit „Beinen wie Pudding“. Mir macht es wenig Spaß, mit bedrohlichen Naturgewalten herumzuschlagen, ich will nur ein bischen segeln. Am liebsten bei drei schönen Windstärken, ohne Meereswogen. Zum Glück sehen das meine Crew- und Familienmitglieder etwas entspannter.
Wir drehen also erst einmal wieder um und verbringen die zweite Nacht im kleineren, aber direkt am Strand gelegenenm kleinerem Yachthafen von Świnoujści, der kostet die Hälfte des vorherigen. Ein schönes Mittagessen im Restaurant, abends an der Strandbar gibt es Beachvolleyball und wir machen Reiterkämpfe im Meer. Verheerende Mückenschwärme, im Boot zum Glück wenige, mittlerweile haben wir ein Netz.

Logbuch der S/Y Pulpo, TAG 10 Swinemünde-Dziwnow

Bei mäßigem Wind, 3-4 von Nordost segeln wir die polnische Ostseeküste entlang Richtung Kolberg und erreichen gegen 15h den Hafen von Dziwnow. Für die tüchtigen Fahrtensegler unseres Vereins mag die Fahrt von Küste zu Küste Routine sein, doch mich ist es das erste Mal heute und ich muss mich an dieses Nussschalen-Feeling erst einmal gewöhnen, die Ungewissheit, der Pudding in der Gliedern, die absolute Weite vom Festland und dem nächsten sicheren Hafen, das knarzende und ächzende Boot, das gluckernde und sprudelnde Meerwasser, der Seegang, das auf-sich-gestelltsein, nochmal die absolute Weite, nochmal die Frage was machen wir wenn...? Was machen wir bei einen Notfall? Was kann passieren? Kann der Mast brechen?

Wir segeln bei zunehmenden Wind, mit zunächst der Sturmfock und dem Großsegel über die Ostsee, vorbei an der Seebrücke von Międzyzdroj, den Meeresklippen des Wolliner Nationalparks mit seinen wundervollen Buchenwäldern. Könnte so weitergehen die Fahrt, über Kolberg Richtung Gdansk entlang der baltischen Küste. Die Shipman rauscht durch die Wellen, ihr scheint es zu gefallen. Diese alte Lady schwedischer Herkunft fühlt sich auf der Ostsee ziemlich wohl:) Anna und Luis wollen dann noch die große Genua hochziehen, um noch mehr Fahrt zu machen und bei dem Manöver auf Deck am Bug des Schiffes habe ich wieder diesen Pudding in den Beinen...

Ob man lieber auf der Havel segelt, auf dem Haff oder in der Südsee ist und bleibt Geschmackssache, eine Frage des persönlichen Stils und der Gesinnung. Man kann sich vielleicht auch an einiges gewöhnen. Auf dem Haff kann man sich gut orientieren und mittlerweile kennen wir den östlichen Teil ziemlich gründlich, Trzebiez, Stepinca, Wollin und Wapnica sind wir angelaufen, die Liegegebühr ist zwischen 30 und 70 Slotys/Nacht. Die meisten deutschen Häfen
sind teurer. Das Haff hat eine nordsüdliche Ausdehnung von 22 km und 52 km in westöstlicher Richtung und ist damit vergleichsweise größer als Bodensee, Müritz, und noch ein paar andere Seen zusammen. Das Stettiner Haff ist zum batlischem Meer (Ostsee) und hat einen polnischen und einen deutschen Teil. Den polnischen kennen wir jetzt ziemlich gut.
Im Hafen von Dziwnow gibt es eine nette Taverna, man spricht englisch und deutsch, in 5 Minuten Entfernung geht es zum Strand. Und vorher kann ich endlich morgens meinen einen Kaffee trinken, für mich eine sehr wichtige Option. Viele Polen trinken hier auch morgens Bier zum Frühstück.

Logbuch der S/Y Pulpo, 12. Juli 2021 - Tag 11 Dziwnow-Wollin-Trzebiez

Wir bleiben 3 Tage am Strand bei bestem Badewetter und schnacken u.a. mit einem polnischen Skipper, der unter schwedischer Flagge mit seiner Opti-Gruppe cruist, er war auch schon in Wapnica. Er erzählt uns, die Brücke in Wollin habe 12m, und mit Tiefgang von 1.60 kämen wir dahin. Wie hoch unser Mast war, wusste ich nicht so ganz genau, fand aber, es wäre einen Versuch wert. Denn dann würde unsere Tour eine Rundfahrt sein, einmal um die Insel Wollin, vom Haff zur
Swinemüdung, auf die Ostsee, zum nächsten Hafen und nach wollin ins Haff zurück. Eine schöne Tour. Besser als wieder zurück, wo die Ostsee immer heftiger tobt. Also machen wir uns um kurz vor 10 zur Brückenöffnungszeit auf den Weg durch die Seennkette.
Bevor wir zum Abenteuer der Brückenunterquerungen kommen, segeln wir erst einmal ein paar Stunden durch die Seenkette, bei mäßigen bis frischen Wind und einiger Krängung. Die Navionics-App zeigt an einer Stelle eine Tiefe von 1.5-2m. Nun, dass kann ja viel heißen...
Wir passieren diese Stelle zwischen Golgova und Gogolice, indem wir uns, zusätzlich zur Krängung des Bootes noch etwas zu viert auf eine Seite stellen. Dadurch haben wir weniger Tiefgang und navigieren exakt durch die seichte Stelle. Wer weiß, ob es auch so geklappt hätte.

Kurz vor Wollin passieren wir zuerst die Starkstromleitungen. Falls jemand diese Tour plant; natürlich sind diese Leitungen höher als die Brücken. Ich erwähne dies, weil in der Marina uns ein Skipper davor gewarnt hat. Also, zunächst mal weniger Wasser unter dem Kiel und dann nur eine Handbreit Luft über´m Mast:
Wir nehmen die Segel runter und nähern uns mit Motor der ersten Brücke. Zwischen den beiden mittleren Brückenpfeilern stellen wir uns quer, um die Masthöhe mit der Brückenhöhe zu vergleichen. Mein Urteil fällt so aus, dass es eher nicht passt. Die Brücke sieht gleichhoch oder niedriger aus, das bedeutet von hier aus einen Riesenumweg von 1-2 Tagen und Ungewißheit, ob die Ostsee überhaupt (für uns) passierbar ist. Also fahren wir schließlich ein zweites Mal an die
Brücke heran, mit Jack-London-mäßigen Pudding-Beinen. Wir treiben eine Stück, an die Brücke
heran, ein kleines Stück drunter, und... es passt, knapp! Was für ein Abenteuer.

So jetzt wissen wir welche Höhe die Shipman hat, wenn sie 3-4 Handbreit unter der 12.4m Bücke von Wollin durchpasst. Nachdem wir zuerst die 12.4m Autobrücke und dann noch die 12.5m Bahnbrücke unterquert haben, stoßen wir kurz vor einer weiteren Drehbrücke auf eine weiteres Problem, keine Parkplätze zum Warten, die Brücke öffnet erst 16h. So müssen wir an einem morschen Industrie-Kai festmachen, bestimmt verboten, aber hier in Polen scheint das keinen zu interessieren. Wir hätten auch an einem anderen Boot längsseits festmachen können, nun liegen wir an dem alten Kai und es kommt umgekehrt ein Boot zu uns, ein junges deutsch-polnisches Pärchen. Es gibt wieder einen netten Schnack, und nach der Brückenöffnung fahren wir am Wolliner Hafen vorbei weiter Richtung Trzebiez. Um etwas Wind in die Segel zu bekommen, fahren wir einen weiten Bogen durch die Hauptfahrrinne. Es ist streckenmäßig der Rekord unserer Reise, mit einer Strecke von 27 Seemeilen.

Abends kochen wir in der Marina von Trzebiez, es ist mal wieder ziemlich spät als wir den Hafen erreichen. Abendstimmungen über dem Haff, lila Wolken, goldenes Licht, grüber Schilf, blaue Weite. Der Abschied vom Haff macht uns etwas wehmütig, denn zurück geht die Reise, das freie Zeitfenster in den Sommerferien neigt sich dem Ende. Es stehen uns aber bis Berlin noch einige spannende Abenteuer bevor.