"Hier ist das Meer, der Wind und die Welle. Hier sind die Meere, die Winde und die Wellen der ganzen Welt."
Jack London, The cruise of the Snark
Dies ist der Bericht der Abenteuerreise mit unserer Segelyacht Pulpo auf dem Weg von Berlin um die polnische Insel Wollin durch die Ostsee. Die Pulpo, ein schwedisches Segelboot ist ziemlich alt und etwas überholungsbedürftig. Trotzdem war dies ein lohnender und sehr lehrreicher Trip - einfach lesen.
Logbuch der S/Y Pulpo, 3. Juli 2021 - TAG 5, Stettin-Stepnica
Wir segeln von Stettin über den Dammschen See bei mäßigen Wind, mit unserer Genua erreichen wir >5 Knoten und fahren zwischen Untiefen und Fischernetzen nach Norden, wobei wir ziemlich konzentriert fahren und gucken müssen. Nach 3 Stunden fahren wir mit Motor auf die Oder, wobei Wind und Wellen stetig zunehmen und gigantische Schiffe an uns vorbeifahren. Auf der Höhe des Industrieortes Police versagt die Wasserpumpe ihren Dienst - ziemlich grausam nach zwei Tagen in der Werft!
Ich versuche das Segel wieder hochzuziehen, aber keine Chance, das Segeln ist vor allem Richtung Norden unmöglich. Segel und Schot verheddern sich furchtbar um das Vorderstak und wir treiben hilflos in der Fahrrinne und versuchen ein Boot zu stoppen. Die englischsprachige Besatzung fährt weiter Richtung Stettin, verspricht aber Hilfe zu rufen.
Wir versuchen an einer Spundwand festzumachen, was ziemlich hoffnungsloses Manöver ist. Dion steht auf einer wackeligen Dalbe und schafft es, das Boot eingermaßen zu halten. Ziemlich gutes Krisenmanegement meines Zwölfjährigen, Respekt. Währenddessen versuche ich das Boot mit Fendern zu schützen und ebenfalls eine Leine hinten festzumachen.
Die Situation ist ziemlich brenzlig, eine weitere Yacht nähert sich, aber auch ein weiteres Riesenschiff. Wir rufen das Segelboot um Hilfe, und sie sind bereit uns Richtung Haff mitzunehmen. Als wir vom Steg losmachen, treibt es uns auch noch ans flache Ufer, wo wir dann schließlich auflaufen. Die Shipman neigt sich, als das der nächste Frachter in der Fahrrinne vorbei fährt, ziemlich bedrohlich zur Seite, fünfunddreißig bis vierzig Grad.
Weiter geht es, im Schlepptau unserer Retter, Richtung Stepnica.
Abends Lagerfeuer am Strand, Dinner mit unseren Rettern, die Dion auch am nächsten Tag mit nach Berlin nehmen, der Kleine darf sich gönnt sich eine wohlverdiente Pause von der Fahrt. Außerdem muss ja wieder eine Reparatur stattfinden, Nummer zwei auf dieser Reise, wegen kaputter Wasserpumpe. Am Ende unserer Reise, auf unserer Reise, auf der Rückfahrt ist eine solche Reparatur in Eigenletstung schon fast ein Kinderspiel. Doch jetz muss die Reise erst einmal
unterbrochen werden.
Die Marina Stepnica hat einige Annehnlichkeiten zu bieten, eine schöne, große Taverna mit gutem günstigen Essen. Ich beschließe, wenn ich mit meinem Boot schon nicht an die Ostsee fahren kann und hier festsitze – was kann ich dafür, dass sich immer mal wieder ein Bolzen aus dem alten Motor löst und ich nicht mehr weiterkomme – dann bleibe ich halt hier und genieße die Tage im Hafen.
Es gibt gute Einkuafmöglichkeiten, sogar einen kleinen Baumarkt, wo wir schließlich eine Heißklebepistole kaufen, um den defekten Wassersammler abzudichten, sowie einen Kocher, denn für unser Campinggaz-Kocher gibt es in Polen keine Kartuschen.
III. Intermezzo Stepnica-Goleniow-Stettin-Międzyzdroje-Golenio-Stepnica
Meine kleine Odysee startet mit der defekten und ausgebauten Wasserpumpe im Gepäck morgens um acht
im Bus von Stepnica nach Goleniow, von dort aus mit dem Zug weiter nach Stettin, in die Volvo Werkstatt.
Im Hafen von Stepnica gab es Konrad, einen Motorenmschen, Mann der Hafenmeisterin, er half die Pumpe
auszubauen, kein Kinderspiel. Die Johnson-Wasserpumpe wird, zurpck in Stettin-Dabie repariert
(notdüftig, auf der Rückfahrt gibt es wieder eine Panne). Ich werde diesen Weg noch zwei Mal fahren,
immer zurück zur Werkstatt von Arkadiusz, immer in der Hoffnung dass die Reise trotz allen Widrigkeiten
weitergeht. Neben der Werkstatt befindet sich das Cafe Orsola, wo wir wir beim Starkregen Zuflucht
gefunden haben und die sehr guten Kaffee haben. Auf dem Rückweg fahre ich noch ein Stückchen weiter
zum Ostseestrand bei
Międzyzdroje, wandere durch den Wollin-Nationalpark, durch Buchenwälder einige Meilen zur Steilküste,
hinunter zum Strand, nach einem ersten Bad in der Ostsee geht es zurück über Goleniow (letzter Bus fährt
15h, ich gönne mir ein Taxi) zurück nach Stepnica.
Musikalisches Intermezzo: Ich gehe heute spät ins Bett
Polnische Akustikpop-Musik wird gespielt aus meinem Radio über Stettiner Sender. Die Popsongs in polnischer Sprache dürfen ziemlich kitschig sein. Eine Band heißt z.B. Kwiat Jabłoni. Ihr Song „Dziś późno pójdę spać“, der an diesem Abend am Stettiner Haff über den Äther geht, bedeutet auf deutsch „Ich gehe heute spät ins Bett“. Die Eleganz dieses jungen Indiepop-Duos (2023 das erste Mal dann auf Europatournee) ist eine wahre Neuentdeckung.
Ich denke, ich werde für diesen Reisebericht keinen eigenen Seeblog gründen. Dazu gibt in den nächsten Jahren zu wenig Aussichten auf große Fahrten. Also wird dies eine Kisters Trio Aktion. Auch wenn das Ziel dieser Reise nicht die Erkundung der polnischen Musikwelt war. Auf https://kisterstrio.wordpress.com/ kannst du mehr lesen.
Dieser Reisebericht hat musikalische und eine literarische Fussnoten. Das unterscheidet ihn von anderen Seeblogs (z.B. https://svst.de/seesegeln/svst-unterwegs/seeblogs). Die literarischen Bezüge zum Seesegeln sind aus dem Buch The cruise of the Snark, von Jack London … dazu später…
Hier ist die Playlist "polnisch akustisch": https://open.spotify.com/playlist/0B5QI3FiTDknlrBqMV0Rhk?si=4eb80c16e1b543a4
Konrad taucht die nächsten zwei Tage nicht in der Marina auf, also versuche ich mir die Position der Pumpe am Motor zu vergegenwärtigen. Wie mussten die drei Schläuche nochmal angeschlossen werden? Ich hätte ein Foto machen sollen.
Mittlerweile weiß ich es.