Segler-Verein Stössensee e.V.

Segeln auf der Sonnenseite der Havel
Pulpo

Pulpo

"Fehlbar und hinfällig, ein bischen pulsierendes Leben mit Beinen wie Pudding, mehr bin ich nicht. Um mich herum sind die großen Naturgewalten - kolossale Bedrohungen, Titanen der Zerstörung, empfindungslose Ungeheuer die sich weniger um mich sorgen als ich mich um die Sandkörner, die ich unter meinen Füßen zerdrücke."
Jack London, The cruise of the Snark

Dies ist der Bericht der Abenteuerreise mit unserer Segelyacht Pulpo auf dem Weg von Berlin um die polnische Insel Wollin durch die Ostsee. Die Pulpo, ein schwedisches Segelboot ist ziemlich alt und etwas überholungsbedürftig. Trotzdem war dies ein lohnender und sehr lehrreicher Trip - einfach lesen.

Logbuch der S/Y Pulpo, 19. Juli 2021 - Tag 12 Trzebiez - Stepnica - Lubcyna - letzter Tag „auf See“
Wir verlassen den Hafen von Trzebiez in nördlicher Richtung und fahren aus der Fahrrinne, um dann mit bis zu 6.6 Knoten bei achterlichem Wind, ein weiterer Rekord mit unserer Shipman zurück
Richtung Stepnica zu fahren, wo wir auf der Hinfahrt die längste Station hatten. Aus heiterem Himmel sozusagen, taucht plötzlich vor uns eine Möwe auf. Sie sitzt auf einem Felsen. Warum zu
Kuckuck sitzt dort eine Möwe auf einem Felsen, denke ich, die sollte da nicht sitzen. Das Problem ist natürlich nicht die Möwe, sondern der verdammte Felsen direkt vor uns. Wieder so ein Pudding-
Moment. Warum haben wir das nicht auf dem Navi gesehen? Dion sitzt am Steuer und ich gebe ihm
Befehl zum ausweichen.

Mit einem sehr mulmigen Gefühl rauschen wir an dem Felsen (es ist eher ein typischer Steinhaufen) vorbei. Zum Glück haben wir uns für die richtige Seite entschieden und erreichen die Fahrrinne ohne Zwischenfälle. Die Seichtigkeit des Haffs hätte nun kurz vor Ende der Segelreise nun fast noch einmal zugeschlagen, wir hatten mal wieder äußerst Glück und wurden wahrscheinlich von mehereren Schutzengeln backbord und steuerbords geleitet. 

Wir tanken erstmal in Stepnica, machen noch einen Einkauf und schmausen im Hafenrestaurant. Nun, da wir alles schon kennen, will keine richtige Wiedersehensfreude aufkommen, es ist auch schon spät, wir müssen aufbrechen Richtung Stettin. Auf dem Weg dorthin wird uns klar, dass wir jetzt, nach 18h den Weg zum AZS nicht mehr vor dem Dunkeln schaffen. Auch unter voller
Besegelung machen wir bei schwachem Wind nicht mehr als 2.5-3.0 Knoten. Das bedeutet, dass wir uns die ganze Zeit fragen, ob es nicht besser wäre, den Motor zu starten und das Segeln sein zu
lassen.

Am nordöstlichen Ufer des Dammschen Sees, ca. 10 km von Stettin, gibt es noch die Marina Lubcyna, die wir anlaufen können. Eher wenig Tiefgang auf der Karte, aber uns bleibt eigentlich nichts übrig, als dort hinzusteuern, festzumachen oder notfalls irgendwo zu ankern. Auf der Oder zwischen Haff und Stettin gibt es keine Stege zum festmachen. So in etwa läuft unsere Diskussion ab, wir haben wenig Akku zur Handynavigation und fahren weiter in diese Ungewißheit.
Aber schließlich erreichen wir den Dammschen See bei wieder sehr malerischer Abendstimmung und Postkarten-Horizont und fahren nach 21h im Yachthafen von Lubcyna ein, wo wir auch bald einen
Platz finden. Das mit der Wassertiefe ist, von nahem betrachtet, auch kein Problem. Wir machen am Steg fest, genießen die Abendstimmung und unrernehmen noch einen kleinen Spaziergang zum
Traumstrand, wo es wie so oft auf der Reise durch Polen, viele Spiel- und Sportgeräte für die Kinder gibt. Zu Essen gibt es wie meistens nichts mehr im Hafen, wie meistens wird an Bord Spagetti Napoli gekocht.

Logbuch der S/Y Pulpo, 21. Juli 2021 - Tag 13 Lubcyna-Stettin
Der letzte Segeltag unserer Reise dauert kaum mehr als eine Stunde. Bei frischem Wind machen wir mit nur der Genua 5.5 Knoten und gleiten über den See, passieren wieder einige seichte Stellen an dessen südlichen Ufer und die unvermeidlichen Fischernetze. Allmählich stellt sich bei mir eine Hochstimmung ein, weil wir eine ziemlich lange, schöne Segeltour glorreich vollenden haben, mit
folgenden Stationen: Stettin-Stepnica-Ziegenort-Wapnica-Swinemünde-Dziwnow-Ziegenort-Lubcyna-Stettin. Eine ganz schöne Strecke für blutige Anfänger, ohne Haff- oder Seeerfahrung. Der
akademische Segelclub lädt ein zum Entspannen und Verwöhnen, für unseren Sohn Luis ist die Schiffsreise hier zu Ende, er besteigt den nächsten Zug nach Berlin.

Die Heimreise nach Berlin wird uns nicht am Stück gelingen, weil zwischendurch wieder Termine sind und wir die Zeit hier voll ausgekostet haben. So lautet unser Ziel am nächsten Tag erstmal
Schwedt/Oderberg. Zur Planung muss angemerkt werden, dass die Betreiber der Marina Oderberg natürlich viel netter sind als in Schwedt. Aber für die vier Übernachtungen ohne Mannschaft zahlen
wir in Schwedt nur 12€, in Oderberg 80€.


Logbuch der S/Y Pulpo, 22. Juli 2021 - Tag 14 Stettin (AZS) - Sladlo Dolne
Der Motor ist mal wieder der Killer. Nachdem wir mit dem Hafenmeister im AZS ziemlich entspannt den Mast gelegt haben, fahren wir gegen 10h die Oder hoch, Richtung deutsche Grenze. Leider, nach nur wenigen km passiert es, ach!… der Bolzen löst sich wieder aus der Wasserpumpe, der Wasserasammler schmort und qualmt vor sich hin und wir müssen ein deutsches Segelboot, das
uns nachkommt anhalten und bitten uns mitzunehmen, die diesmal so gar nicht begeistert sind von dieser Aktion. Sie schleppen uns nach Sladlo Dolne, einem Vorort von Stettin, zum Glück mit gutem Anschluss an das Netz des öffentlichen Nahverkehrs.

Nach 20 Minuten Busfahrt bin ich mit Dion, der nun ebenfalls die Heimfahrt antritt und der wieder ausgebauten Wasserpumpe am Hbf Stettin, wo wir einen Schnellbus nach Berlin-Alexanderplatz finden. Anna bleibt an Bord, sucht sich einen Stromspender für die Heißklebepistole und vollführt ein weiteres McGywer-Kunststück, indem sie den angekokelten Wassersammler abdichtet. Gegen Abend bin ich mit der reparierten Wasserpupe wieder zurückin Sladlo Dolne. Es fuhr kein Bus, aber ein Taxi, nur 8€, zum Glück sind wir in Polen. Damit endet auch die Odyssee durch polnische Bahnhöfe und Busse, die ich zu Zwecken der Bootreparatur unternehmen musste.

Abends sehen wir einen erstaunlich zutraulichen Biber am Steg. Das Essen schmeckt fantastisch, die Kinder sind wieder in Berlin, wir werden am nächsten Tag folgen.

Logbuch der S/Y Pulpo, 22. Juli 2021 - Tag 15 Sladlo Dolne - Schwedt
Am nächsten Morgen starten wir ziemlich früh in Richtung Schwedt und gleiten tuckernd durch teilweise sehr dichten wobei eine rotte Wildschweine an uns vorbeizieht. Bei der Abzweigung in
den Kanal landen wir auf einer Sandbank. Wie meistens haben wir großes Glück, es kommt gleich eine Bavaria um die Ecke und zieht uns raus. Genau im richtigen Moment. 

Allerdings, die nächste Panne ist leider nicht weit... nach 4h Stunden Fahrt ist der Keilriemen locker (und mittlerweile auch total abgenutzt, was ich zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht weiß),
erneut findet sich eine Yacht, die uns abschleppt. Das letzte Mal übrigens. Wir werden zwar nach Berlin noch zweimal Pannen haben und manörvrierunfähig sein, aber die Reise per Anhalter ist in
Schwedt/Oder vorbei.

Wir steigen in den Ersatzbus nach Angermünde, ich habe Zuhause Berlin zweimal Kirchenmusik und ein Gruppen-Treffen, wo ich einen kleinen Workshop geben werde. Alles wichtige Termine, also müssen wir die Reise unterbrechen. Luis und Dion, die beiden Teenager, haben sich in den wohlverdienten Urlaub vom Urlaub verabschiedet. Die Kanal/Fluss-Tour wird wieder in mehreren Etappen mit wechselnder Crew erfolgen.

Mit meinem Kumpel Marcus kehre ich zwei Tage später zurück, wir spannen den Keilriemen wie eine Cello-Saite, dass es eine Freude ist und ein beherztes PLONG ertönt. Was wir zu diesem
Zeitpunkt leider nicht wissen: Der Keilriemen unserer Wasserpumpe ist mittlerweile total durch, fast kein Profil mehr, also kaum Griffigkeit. Deshalb kommt es am übernächsten Reisetag unweigerlich zu einer erneuten Panne.


Logbuch der S/Y Pulpo, 25. Juli 2021 - Tag 16 Schwedt/Oder-Niederfinow
Und wieder geht die Reise weiter, mittags tuckern wir mit dem Dieselmotor Richtung Gartz/Oderberg, tanken unterwegs und erreichen das Schiffshebewerk kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Wir fahren nach oben und machen einige hundert Meter weiter an einem Spundwand fest, mit sehr langen Enden. Oben lagern einige Wohnmobile, deren Bestitzer auch etwas irritiert gucken. Aber in der zunehmenden Dämmerung kriegen die von unserem Aktion nicht mehr viel mit.

Letzte Etappe auf der Havel – Oranienburg- Spandau und heim:

Logbuch der S/Y Pulpo, 22. Juli 2021 - Tag 17 Niederfinow-Marina Havelbaude
Tags darauf starten wir ziemlich früh, wir haben nämlich die Hoffnung Abends noch den Heimathafen SVSt zu erreichen. Hoffnung ist wirklich eine sehr gute Einstellung auf dieser Reise. Wir hätten nochmal die Spannung und die Griffigkeiten des Keilriemens überprüfen sollen. Don´t forget about the essentials! Steht sogar im Handbuch des Motors. Handbücher sind eine schöne Sache. Einiges versteht man nicht, aber es gibt viele gute Tipps. 

Es ist eine schöne Fahrt an diesem Morgen, durch Nebelfelder, der Morgentau wird benutzt um das Deck zu wischen. Der unvermeidliche erneute Ausfall der Wasserpumpe wird - wieder großes
Glück - rechtzeitig bemerkt. Und, die Spundwand lässt grüßen, diesmal machen wir unter einer Brücke der A11 fest. Die Wassertiefe ist leider ziemlich unzureichend, von Strömungen und
passierenden Booten werden wir mit dem Kiel auf die Steine gedrückt. Bitte lieber Kiel, du musstest viel aushalten auf dieser Reise, hoffentlich ist das nicht zu viel für dich. Die Ostsee durchfahren, auf manche Sandbank aufgelaufen, um Haaresbreite an vielen Hindernissen vorbei, um nun an einer hinfälligen Spundwand unter der A11 zu zerschellen. Nein, der Kiel ist total stabil, hält wirklich viel aus. Die Spundwand hat noch nicht mal richtige Festmacher, nur notdürftig hängen wir mit unseren Seilen an der Stahlkante, kaum durch Fenderbojen geschützt.

Das sind die Momente, an die man sich noch lange erinnert. Währendessen wechselt die Crew den kaputten Keilriemen, der Ersatzriemen war, dem Vorbesitzer sei dank, an Bord. 

Und schon geht die Fahrt weiter, wohl unbeschadet überstanden. Zumindest habe ich bei der nächsten Schleusewartesituation mal mit dem großen Zeh am Kiel gekratzt, war Ok. So richtig sicher weiß man das natürlich erst nach dem nächsten Kranen, was ohnehin diesen Herbst ansteht, es muss auch Antifouling neu drauf.

Eine weitere Verzögerung unserer Fahrt: In der Havel bei Oranienburg wurde Munition gefunden und entschärft, 3h Vollsperrung. Das sind die drei Stunden, die uns zum Stößensee gefehlt hätten. Nach einer ausgiebigen, unfreiwilligen Mittagspause fahren wir weiter zur berümt-berüchtigten Schleuse Lehnitz. Dort warten schon einige Motorboote, der Skipperschnack nervt etwas, wir müssen natürlich Stunden warten, einmal zur Schleuse, die voll ist und wieder zurückfahren, nochmal baden, usw. Dann geht es endlich weiter zur Marina Havelbaude.

Ein schöner Spaziergang durch den Wald, bei Spagetti Carbonara und Pizza Fughi auf der italienischen Restaurantterasse lassen wir den Abend und den ganzen Trip schön ausklingen. Was kann (uns) jetzt noch passsieren. Nachts höre ich mit Herzrasen Grapefruit Moon von Tom Waits und fiebere dem ersten Date mit Anna in Berlin entgegen.


Logbuch der S/Y Pulpo, 22. Juli 2021 - Tag 18 Marina Havelbaude (Birkenwerder)-Stößensee
Und wirklich, ohne weitere Zwischenfälle erreichen wir am nächsten Morgen des 28. Julis den Heimathafen. Marcus fährt nach Hause und wir stellen den Mast.

Was für eine Fahrt: Vom 22.6. bis heute zweiundreißig Tage in fremden Häfen und heute endlich Zuhause. Prost!

"Fehlbar und hinfällig, ein bischen pulsierendes Leben mit Beinen wie Pudding, mehr bin ich nicht. Um mich herum sind die großen Naturgewalten - kolossale Bedrohungen, Titanen der Zerstörung, empfindungslose Ungeheuer die sich weniger um mich sorgen als ich mich um die Sandkörner, die ich unter meinen Füßen zerdrücke."
Jack London, The cruise of the Snark

Dies ist der Bericht der Abenteuerreise mit unserer Segelyacht Pulpo auf dem Weg von Berlin um die polnische Insel Wollin durch die Ostsee. Die Pulpo, ein schwedisches Segelboot ist ziemlich alt und etwas überholungsbedürftig. Trotzdem war dies ein lohnender und sehr lehrreicher Trip - einfach lesen.

Logbuch der S/Y Pulpo, TAG 9 – Swinemünde

Wir segeln an diesem Tag aus dem geschützen Hafen hinaus auf die offene Ostsee, wo sich ein Sturm zusammenbraut und folgen der Fahrrinne für einige Tonnen. Auf der Navikarte sind einige Hindernisse und Gefahren unter Wasser verzeichnet. Vielleicht wäre es eine bessere Idee gewesen, ins westliche Haff zu fahren und dem Peenestrom in die geschützeren Boddengewässer zu folgen. Von hier geht es direkt hinüber nach Sassnitz auf Rügen, durch die offene Ostsee, aber leider gibt es diese Sturmwarnung. Ich fühle mich auch irgendwie nicht bereit, eher so wie in dem Zitat von J. London, mit „Beinen wie Pudding“. Mir macht es wenig Spaß, mit bedrohlichen Naturgewalten herumzuschlagen, ich will nur ein bischen segeln. Am liebsten bei drei schönen Windstärken, ohne Meereswogen. Zum Glück sehen das meine Crew- und Familienmitglieder etwas entspannter.
Wir drehen also erst einmal wieder um und verbringen die zweite Nacht im kleineren, aber direkt am Strand gelegenenm kleinerem Yachthafen von Świnoujści, der kostet die Hälfte des vorherigen. Ein schönes Mittagessen im Restaurant, abends an der Strandbar gibt es Beachvolleyball und wir machen Reiterkämpfe im Meer. Verheerende Mückenschwärme, im Boot zum Glück wenige, mittlerweile haben wir ein Netz.

Logbuch der S/Y Pulpo, TAG 10 Swinemünde-Dziwnow

Bei mäßigem Wind, 3-4 von Nordost segeln wir die polnische Ostseeküste entlang Richtung Kolberg und erreichen gegen 15h den Hafen von Dziwnow. Für die tüchtigen Fahrtensegler unseres Vereins mag die Fahrt von Küste zu Küste Routine sein, doch mich ist es das erste Mal heute und ich muss mich an dieses Nussschalen-Feeling erst einmal gewöhnen, die Ungewissheit, der Pudding in der Gliedern, die absolute Weite vom Festland und dem nächsten sicheren Hafen, das knarzende und ächzende Boot, das gluckernde und sprudelnde Meerwasser, der Seegang, das auf-sich-gestelltsein, nochmal die absolute Weite, nochmal die Frage was machen wir wenn...? Was machen wir bei einen Notfall? Was kann passieren? Kann der Mast brechen?

Wir segeln bei zunehmenden Wind, mit zunächst der Sturmfock und dem Großsegel über die Ostsee, vorbei an der Seebrücke von Międzyzdroj, den Meeresklippen des Wolliner Nationalparks mit seinen wundervollen Buchenwäldern. Könnte so weitergehen die Fahrt, über Kolberg Richtung Gdansk entlang der baltischen Küste. Die Shipman rauscht durch die Wellen, ihr scheint es zu gefallen. Diese alte Lady schwedischer Herkunft fühlt sich auf der Ostsee ziemlich wohl:) Anna und Luis wollen dann noch die große Genua hochziehen, um noch mehr Fahrt zu machen und bei dem Manöver auf Deck am Bug des Schiffes habe ich wieder diesen Pudding in den Beinen...

Ob man lieber auf der Havel segelt, auf dem Haff oder in der Südsee ist und bleibt Geschmackssache, eine Frage des persönlichen Stils und der Gesinnung. Man kann sich vielleicht auch an einiges gewöhnen. Auf dem Haff kann man sich gut orientieren und mittlerweile kennen wir den östlichen Teil ziemlich gründlich, Trzebiez, Stepinca, Wollin und Wapnica sind wir angelaufen, die Liegegebühr ist zwischen 30 und 70 Slotys/Nacht. Die meisten deutschen Häfen
sind teurer. Das Haff hat eine nordsüdliche Ausdehnung von 22 km und 52 km in westöstlicher Richtung und ist damit vergleichsweise größer als Bodensee, Müritz, und noch ein paar andere Seen zusammen. Das Stettiner Haff ist zum batlischem Meer (Ostsee) und hat einen polnischen und einen deutschen Teil. Den polnischen kennen wir jetzt ziemlich gut.
Im Hafen von Dziwnow gibt es eine nette Taverna, man spricht englisch und deutsch, in 5 Minuten Entfernung geht es zum Strand. Und vorher kann ich endlich morgens meinen einen Kaffee trinken, für mich eine sehr wichtige Option. Viele Polen trinken hier auch morgens Bier zum Frühstück.

Logbuch der S/Y Pulpo, 12. Juli 2021 - Tag 11 Dziwnow-Wollin-Trzebiez

Wir bleiben 3 Tage am Strand bei bestem Badewetter und schnacken u.a. mit einem polnischen Skipper, der unter schwedischer Flagge mit seiner Opti-Gruppe cruist, er war auch schon in Wapnica. Er erzählt uns, die Brücke in Wollin habe 12m, und mit Tiefgang von 1.60 kämen wir dahin. Wie hoch unser Mast war, wusste ich nicht so ganz genau, fand aber, es wäre einen Versuch wert. Denn dann würde unsere Tour eine Rundfahrt sein, einmal um die Insel Wollin, vom Haff zur
Swinemüdung, auf die Ostsee, zum nächsten Hafen und nach wollin ins Haff zurück. Eine schöne Tour. Besser als wieder zurück, wo die Ostsee immer heftiger tobt. Also machen wir uns um kurz vor 10 zur Brückenöffnungszeit auf den Weg durch die Seennkette.
Bevor wir zum Abenteuer der Brückenunterquerungen kommen, segeln wir erst einmal ein paar Stunden durch die Seenkette, bei mäßigen bis frischen Wind und einiger Krängung. Die Navionics-App zeigt an einer Stelle eine Tiefe von 1.5-2m. Nun, dass kann ja viel heißen...
Wir passieren diese Stelle zwischen Golgova und Gogolice, indem wir uns, zusätzlich zur Krängung des Bootes noch etwas zu viert auf eine Seite stellen. Dadurch haben wir weniger Tiefgang und navigieren exakt durch die seichte Stelle. Wer weiß, ob es auch so geklappt hätte.

Kurz vor Wollin passieren wir zuerst die Starkstromleitungen. Falls jemand diese Tour plant; natürlich sind diese Leitungen höher als die Brücken. Ich erwähne dies, weil in der Marina uns ein Skipper davor gewarnt hat. Also, zunächst mal weniger Wasser unter dem Kiel und dann nur eine Handbreit Luft über´m Mast:
Wir nehmen die Segel runter und nähern uns mit Motor der ersten Brücke. Zwischen den beiden mittleren Brückenpfeilern stellen wir uns quer, um die Masthöhe mit der Brückenhöhe zu vergleichen. Mein Urteil fällt so aus, dass es eher nicht passt. Die Brücke sieht gleichhoch oder niedriger aus, das bedeutet von hier aus einen Riesenumweg von 1-2 Tagen und Ungewißheit, ob die Ostsee überhaupt (für uns) passierbar ist. Also fahren wir schließlich ein zweites Mal an die
Brücke heran, mit Jack-London-mäßigen Pudding-Beinen. Wir treiben eine Stück, an die Brücke
heran, ein kleines Stück drunter, und... es passt, knapp! Was für ein Abenteuer.

So jetzt wissen wir welche Höhe die Shipman hat, wenn sie 3-4 Handbreit unter der 12.4m Bücke von Wollin durchpasst. Nachdem wir zuerst die 12.4m Autobrücke und dann noch die 12.5m Bahnbrücke unterquert haben, stoßen wir kurz vor einer weiteren Drehbrücke auf eine weiteres Problem, keine Parkplätze zum Warten, die Brücke öffnet erst 16h. So müssen wir an einem morschen Industrie-Kai festmachen, bestimmt verboten, aber hier in Polen scheint das keinen zu interessieren. Wir hätten auch an einem anderen Boot längsseits festmachen können, nun liegen wir an dem alten Kai und es kommt umgekehrt ein Boot zu uns, ein junges deutsch-polnisches Pärchen. Es gibt wieder einen netten Schnack, und nach der Brückenöffnung fahren wir am Wolliner Hafen vorbei weiter Richtung Trzebiez. Um etwas Wind in die Segel zu bekommen, fahren wir einen weiten Bogen durch die Hauptfahrrinne. Es ist streckenmäßig der Rekord unserer Reise, mit einer Strecke von 27 Seemeilen.

Abends kochen wir in der Marina von Trzebiez, es ist mal wieder ziemlich spät als wir den Hafen erreichen. Abendstimmungen über dem Haff, lila Wolken, goldenes Licht, grüber Schilf, blaue Weite. Der Abschied vom Haff macht uns etwas wehmütig, denn zurück geht die Reise, das freie Zeitfenster in den Sommerferien neigt sich dem Ende. Es stehen uns aber bis Berlin noch einige spannende Abenteuer bevor.

"Hier ist die heftige Lebenswelt. Und die Mühseligkeit, sich hier anzupassen ist die Errungenschaft dessen, was mich, diese kleine zitternde Eitelkeit, entzückt. Ich möchte. So bin ich gemacht. Es ist meine eigene, besondere Art von Eitelkeit, das ist alles."
Jack London, The cruise of the Snark

Dies ist der Bericht der Abenteuerreise mit unserer Segelyacht Pulpo auf dem Weg von Berlin um die polnische Insel Wollin durch die Ostsee. Die Pulpo, ein schwedisches Segelboot ist ziemlich alt und etwas überholungsbedürftig. Trotzdem war dies ein lohnender und sehr lehrreicher Trip - einfach lesen.

Logbuch der S/Y Pulpo, TAG 6 Stepnica- Trzebiez- Stepnica

Die Wasserpumpe lässt uns keine Ruhe. Mittlerweile ist die Familie - Anna, Luis, Dion wieder in Stepnica eingtroffen, der eigentliche Törn über das Haff und Richtung Ostsee soll nun beginnen.
Die drei haben sich durch den Stettiner Hauptbahnhof bis zum Boot durchgeschlagen, obwohl die Bahnbeamten weder freundlich waren noch etwas anderes als polnisch sprachen. So sind nun also alle an Bord, und weiter geht die Reise.

Von Stepnica aus mündet die Oder in wenigen Km in das Stettiner Haff, welches auch als Oderhaff bezeichnet wird. Leider qualmt der Motor mal wieder, Pumpe falsch montiert. Es wäre halt nett gewesen von Konrad, die Pumpe nicht nur aus- sondern auch wieder einzubauen. Es wäre auch gut gewesen, einen richtigen, professionellen Techniker zu haben. Es wäre allerdings am allerbesten, es selbst zu können - ein Dieslmotor ist kein Hexenwerk, schreibt ein SVSt-Kamerad in den Chat.
Komischerweise macht mich diese erneute Panne gar nicht so unglücklich - Jack London und die früheren Segler haben es auch ohne Motor geschafft. Also, segeln wir noch ein bischen. Zwischen den zwei  Leuchttümern an der Mündung zum Haff wird es nochmal sehr seicht. Wir laufen auf, aber zum Glück nur ein bischen, sodass wir mit dem Motor wieder freikommen. Wir segeln über die Südausläufer des Haffs von Trzebiez (Ziegenort) zurück nach Stepnica, zugegeben etwas langweilig, aber trotzdem schön. Für etwas Aufregung sorgt das Halbfinal-Spiel England gegen Dänemark.

Logbuch der S/Y Pulpo, 9. Juli 2021 TAG 7 Stepnica-Trzebiez

Das Ziel dieses Tages ist es eigentlich über das Haff zu segeln, an Ziegenort vorbei, aber wohin? Es wird schon bald dunkel, vor allem nicht nur wegen der Dämmerung, auch dunkle Sturmwolken ziehen auf, also: Zurück in den sicheren Hafen von Trzebiez (Ziegenort). Die Aussicht über das Haff von hier ist schon ziemlich gigantisch. Mit unseren SVSt-Nachbarn Ursula & Jürgen ein netter Schnack, dann gemütliches Abendbrot mit der Familie bei Regen, Donner & Blitz unter Deck.
Nicht schön, die Vorstellung, weit draußen zu sein.

TAG 7a Trzebiez- Wapnica

"Hier ist die heftige Lebenswelt. Und die Mühseligkeit, sich hier anzupassen ist die Errungenschaft dessen, was mich, diese kleine zitternde Eitelkeit, entzückt. Ich möchte. So bin ich gemacht. Es ist meine eigene, besondere Art von Eitelkeit, das ist alles."
Jack London, The Cruise of the Snark


Am nächsten Nachmittag geht es weiter aus dem Hafen von Trzebiez durch die ziemlich enge Fahrrinne hinaus auf das Haff. Wir versuchen die Segel zu setzen und steuern zwei Meter aus der Fahrrine heraus, was uns den Boden unter uns spüren lässt. Wir sind mal wieder etwas aufgelaufen, und wieder kommen wir durch Krängung, die ganze Mannschaft auf einer Seite und Motor wieder hinaus. Das Haff ist allgemein schon ziemlich flach, oft auch weit hinein unter zwei Meter. Dann wird gesegelt, was das Zeug hält, zunächst bei Windstärke drei, dann bei zunehmenden und stürmischen Winden und ziemlichen Wogen. So überqueren 2/3 des Haffs, die Kinder hören lustig laute Musik in der Kabine, alle sind vergnügt, obwohl mir der Sturm etwas unbehaglich erscheint.
Dann verziehen sich die Gewitterwolken, der Wind schläft ein und wir fahren mit dem Motor, dessen Kühlung nach vielen Mühen und mehreren Fahrten in die Stettiner Werkstatt endlich wieder verläßlich zu funktionieren scheint, den Bogen um Lubin und checken im Hafen vom Wapnica ein.

Nach dieser anstrengenden Fahrt gönnen wir uns 1 Tag am Ostseestrand von Międzyzdroj, nur 15 Minuten Fahrt mit dem günstigen Taxi. Außerdem gibt es oben in Lubin über der Steilküste ein sehr schön gelegenes Restaurant mit Aussichtsplattform und Ausgrabungsstätten. Vorteile der Marina Wapnica sind die Gemeinschaftsküche und die Waschmaschine. Das Elfmeterschießen Italien gegen England ist sehr aufregend und dramatisch.

Die hügeligen Wälder ringsum laden ein zum Wandern und Spazierengehen entlang der Steilküste. Währenddessen warte ich auf eine Nachricht von Anna aus Deutschland.

Logbuch der S/Y Pulpo, 12. Juli 2021 TAG 8 Wapnica- Świnoujście

Wir verlassen den Hafen und passieren die Steilküste und dem Lubiner Kirchturm in einem großen Bogen bei ziemlicher Windstille. Wir müssen aufpassen, die Betonnung im Auge behalten, da das Oderhaff für Boote unseres Tiefgangs sehr enge Fahrrinnen bietet und wir nicht wieder auflaufen mögen. Ständig checken wir auf dem Bootsnavi die Tiefenlinien. Die Einfahrt des östlichsten Haffhafens Wollin erscheint uns ebenfalls sehr lang und schmal, also setzen wir wir bei etwas auffrischenden Wind die Segel und fahren gen Swinemünde (Świnoujście). Diese Entscheidung bedeutet in der Konsequenz, dass wir bei Swinemünde auf der offenen Ostsee landen, nicht etwa im
geschützten Bodden.
Es folgt eine Kanalfahrt, wobei Wind und Wellen im großen Hafen von Swinemünde ziemlich auffrischen, Motor und Kühlsystem arbeiten weiterhin zuverlässig. Wir müssen einige Manöver fahren, als zum Beispiel fast gleichzeitig sich zwei Fähren von rechts nach links nähern. Das Stadtgebiet von Swinemünde umfasst einige Inseln, von denen wir die östliche Insel Wollin nun einmal umrunden werden.
Wir errreichen den ehemaligen Bauhafen, heute eine große Marina mit Wohnmobilstellplätzen. Gegenüber an der Kaimauer des großen Hafens wird ein Kohlefrachter aus Monrovia gelöscht, tage- und nächtelang.

Literarisches Intermezzo: Die Fahrt der „Snark“ von Jack London.
Beim Hafenmeister finde ich ein Buch von dem amerikanischen Schriftsteller Jack London, der seine Reise von Kalifornien durch die Südsee mit einer 45´-Segelyacht beschreibt. Ich tausche dieses Buch einen Tag später gegen das aus- und vorgelesene "Harry Potter und der Gefangene von Askaban". Es liefert mir Inspiration und einige schöne Zitate, passend zur ersten Ostseedurchquerung. Das charmante an der verrückten Unternehmung, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts einen Segeltörn über den stillen Ozean zu unternehmen, ist zum einen die hemdsärmelige Unbedarftheit, ohne jegliche Erfahrung, mit schnell mal etwas angelernetem Navigationswissen von der Frisco Bay nach Hawai zu segeln und wirklich dort anzukommen. Zum anderen die katastrophalen technischen Mängel der Yacht - kaputter Motor, defekte Pumpen, ständig läuft das Boot voll und muss leergepumpt werden - man glaubt es kaum, dass so viel schiefgehen kann und man trotzdem so viel Vergügen bei dieser Fahrt entwickelt.
Jack London kommt ebenfalls in brenzlige Situationen mit seinem Schiff. Er startet auch ohne jegliche Vorerfahrunng oder kompetente Crewmitglieder (wie ich). Auf seinem Boot sollte mehr funktionieren als es tut (wie bei uns). Aber es kommt bei Beginn der Reise direkt aus der Werft. Er schildert mit einer Mischung aus Amüsiertheit und Fassungslosigkeit, wie – vor allem unter Deck – alles entweder nur halb oder gar nicht funktioniert.
Schließlich überquert London mit seiner Frau und einem Freund die Südsee und landet bei Neuseeland, um von einem Südseekrankheit heimgesucht zu werden. Den Rest lest bitte selbst. Story of Life…
- Ende des literarischen Intermezzos -

Der Yachthafen Swinemünde hat Platz für etwa 200 Boote und ist damit größer als die bisherigen Marinas am Haff. Durch den Wald ist man zu Fuss in 20 min am Ostseestrand. Dort gibt es Kitesurfer, die den Wellen nachjagen und eine coole Surferbar. Es geht wesentlich entspannten und ruhiger zu am Strand vom zwanzig Kilometer östlich gelegenen Miesdroy, welches eher sehr geballte Ballermann-Energie verströmt.

"Hier ist das Meer, der Wind und die Welle. Hier sind die Meere, die Winde und die Wellen der ganzen Welt."
Jack London, The cruise of the Snark

Dies ist der Bericht der Abenteuerreise mit unserer Segelyacht Pulpo auf dem Weg von Berlin um die polnische Insel Wollin durch die Ostsee. Die Pulpo, ein schwedisches Segelboot ist ziemlich alt und etwas überholungsbedürftig. Trotzdem war dies ein lohnender und sehr lehrreicher Trip - einfach lesen.

Logbuch der S/Y Pulpo, 3. Juli 2021 - TAG 5, Stettin-Stepnica

Wir segeln von Stettin über den Dammschen See bei mäßigen Wind, mit unserer Genua erreichen wir >5 Knoten und fahren zwischen Untiefen und Fischernetzen nach Norden, wobei wir ziemlich konzentriert fahren und gucken müssen. Nach 3 Stunden fahren wir mit Motor auf die Oder, wobei Wind und Wellen stetig zunehmen und gigantische Schiffe an uns vorbeifahren. Auf der Höhe des Industrieortes Police versagt die Wasserpumpe ihren Dienst - ziemlich grausam nach zwei Tagen in der Werft!
Ich versuche das Segel wieder hochzuziehen, aber keine Chance, das Segeln ist vor allem Richtung Norden unmöglich. Segel und Schot verheddern sich furchtbar um das Vorderstak und wir treiben hilflos in der Fahrrinne und versuchen ein Boot zu stoppen. Die englischsprachige Besatzung fährt weiter Richtung Stettin, verspricht aber Hilfe zu rufen.
Wir versuchen an einer Spundwand festzumachen, was ziemlich hoffnungsloses Manöver ist. Dion steht auf einer wackeligen Dalbe und schafft es, das Boot eingermaßen zu halten. Ziemlich gutes Krisenmanegement meines Zwölfjährigen, Respekt. Währenddessen versuche ich das Boot mit Fendern zu schützen und ebenfalls eine Leine hinten festzumachen.
Die Situation ist ziemlich brenzlig, eine weitere Yacht nähert sich, aber auch ein weiteres Riesenschiff. Wir rufen das Segelboot um Hilfe, und sie sind bereit uns Richtung Haff mitzunehmen. Als wir vom Steg losmachen, treibt es uns auch noch ans flache Ufer, wo wir dann schließlich auflaufen. Die Shipman neigt sich, als das der nächste Frachter in der Fahrrinne vorbei fährt, ziemlich bedrohlich zur Seite, fünfunddreißig bis vierzig Grad.

Weiter geht es, im Schlepptau unserer Retter, Richtung Stepnica.

Abends Lagerfeuer am Strand, Dinner mit unseren Rettern, die Dion auch am nächsten Tag mit nach Berlin nehmen, der Kleine darf sich gönnt sich eine wohlverdiente Pause von der Fahrt. Außerdem muss ja wieder eine Reparatur stattfinden, Nummer zwei auf dieser Reise, wegen kaputter Wasserpumpe. Am Ende unserer Reise, auf unserer Reise, auf der Rückfahrt ist eine solche Reparatur in Eigenletstung schon fast ein Kinderspiel. Doch jetz muss die Reise erst einmal
unterbrochen werden.
Die Marina Stepnica hat einige Annehnlichkeiten zu bieten, eine schöne, große Taverna mit gutem günstigen Essen. Ich beschließe, wenn ich mit meinem Boot schon nicht an die Ostsee fahren kann und hier festsitze – was kann ich dafür, dass sich immer mal wieder ein Bolzen aus dem alten Motor löst und ich nicht mehr weiterkomme – dann bleibe ich halt hier und genieße die Tage im Hafen.
Es gibt gute Einkuafmöglichkeiten, sogar einen kleinen Baumarkt, wo wir schließlich eine Heißklebepistole kaufen, um den defekten Wassersammler abzudichten, sowie einen Kocher, denn für unser Campinggaz-Kocher gibt es in Polen keine Kartuschen.

III. Intermezzo Stepnica-Goleniow-Stettin-Międzyzdroje-Golenio-Stepnica

Meine kleine Odysee startet mit der defekten und ausgebauten Wasserpumpe im Gepäck morgens um acht
im Bus von Stepnica nach Goleniow, von dort aus mit dem Zug weiter nach Stettin, in die Volvo Werkstatt.
Im Hafen von Stepnica gab es Konrad, einen Motorenmschen, Mann der Hafenmeisterin, er half die Pumpe
auszubauen, kein Kinderspiel. Die Johnson-Wasserpumpe wird, zurpck in Stettin-Dabie repariert
(notdüftig, auf der Rückfahrt gibt es wieder eine Panne). Ich werde diesen Weg noch zwei Mal fahren,
immer zurück zur Werkstatt von Arkadiusz, immer in der Hoffnung dass die Reise trotz allen Widrigkeiten
weitergeht. Neben der Werkstatt befindet sich das Cafe Orsola, wo wir wir beim Starkregen Zuflucht
gefunden haben und die sehr guten Kaffee haben. Auf dem Rückweg fahre ich noch ein Stückchen weiter
zum Ostseestrand bei
Międzyzdroje, wandere durch den Wollin-Nationalpark, durch Buchenwälder einige Meilen zur Steilküste,
hinunter zum Strand, nach einem ersten Bad in der Ostsee geht es zurück über Goleniow (letzter Bus fährt
15h, ich gönne mir ein Taxi) zurück nach Stepnica.

Musikalisches Intermezzo: Ich gehe heute spät ins Bett
Polnische Akustikpop-Musik wird gespielt aus meinem Radio über Stettiner Sender. Die Popsongs in polnischer Sprache dürfen ziemlich kitschig sein. Eine Band heißt z.B. Kwiat Jabłoni. Ihr Song „Dziś późno pójdę spać“, der an diesem Abend am Stettiner Haff über den Äther geht, bedeutet auf deutsch „Ich gehe heute spät ins Bett“. Die Eleganz dieses jungen Indiepop-Duos (2023 das erste Mal dann auf Europatournee) ist eine wahre Neuentdeckung.

Ich denke, ich werde für diesen Reisebericht keinen eigenen Seeblog gründen. Dazu gibt in den nächsten Jahren zu wenig Aussichten auf große Fahrten. Also wird dies eine Kisters Trio Aktion. Auch wenn das Ziel dieser Reise nicht die Erkundung der polnischen Musikwelt war. Auf https://kisterstrio.wordpress.com/ kannst du mehr lesen.
Dieser Reisebericht hat musikalische und eine literarische Fussnoten. Das unterscheidet ihn von anderen Seeblogs (z.B. https://svst.de/seesegeln/svst-unterwegs/seeblogs). Die literarischen Bezüge zum Seesegeln sind aus dem Buch The cruise of the Snark, von Jack London … dazu später…

Hier ist die Playlist "polnisch akustisch": https://open.spotify.com/playlist/0B5QI3FiTDknlrBqMV0Rhk?si=4eb80c16e1b543a4


Konrad taucht die nächsten zwei Tage nicht in der Marina auf, also versuche ich mir die Position der Pumpe am Motor zu vergegenwärtigen. Wie mussten die drei Schläuche nochmal angeschlossen werden? Ich hätte ein Foto machen sollen.
Mittlerweile weiß ich es.

"Being alive, I want to see, and all of the world is a bigger thing to see than one small town or valley"
Jack London, The cruise of the Snark

Dies ist der Bericht der Abenteuerreise mit unserer Segelyacht Pulpo auf dem Weg von Berlin um die polnische Insel Wollin durch die Ostsee. Die Pulpo, ein schwedisches Segelboot ist ziemlich alt und etwas überholungsbedürftig. Trotzdem war dies ein lohnender und sehr lehrreicher Trip - einfach lesen.

Logbuch der S/Y Pulpo, 24./25. Juni 2021 - TAG 3+4 Oderberg-Schwedt-Stettin

TAG 3: In Oderberg hat der erste Crewwechsel stattgefunden. Der ältere Sohn, Luis ist mittlerweile auf Konfirmationsfahrt und der jüngere, Dion 12 J. fährt mit an Bord, bis nach Stepnica übrigens. Wir tanken noch 20 Liter Diesel in Oderberg und fahren in sechs Stunden weiter nach Schwedt.

Nach 4 Stunden wird Dion langweilig. Ich gebe ihm das Steuer, um eine Luftmatraze zum Planschen zu suchen und WUMMS hängen wir am Rand der Fahrrine auf einer Untiefe fest. Nach 40 Minuten zieht uns ein Segelboot raus. So erreichen wir den Yachhafen Oderberg spät, gegen 21h. Nach längerem Suchen finden wir ein chinesisches Restaurant, wo wir zum Essen sehr viel Cola trinken.

TAG 4: Es ist leider noch kein Insektennetz an Bord, was für eine ziemlich kurze, unruhige Nacht sorgt. Dion findet kaum Schlaf, Das Spray scheint die Mücken nicht zu beeindrucken. Um kurz nach vier verlassen wir den Hafen und die Fahrt geht weiter nach Gartz, wo wir einkaufen und frühstücken.
Das heißt eigentlich, wie schon bei dem Ausflug in Oderberg lasse ich das schlafende Kind und unternehme die Fahrt zum Einkaufsladen alleine.

Auf der heute morgen etwas monotonen und einschläfernden Fahrt ist mir ein etwas beunruigendes Geräusch aufgefallen und tatsächlich, als wir weiterfahren wollen, lässt sich weder Getriebe noch Schraube in Gang setzen. Ich springe ins Wasser und ziehe die Yacht aus der Fahrrine, an einen eigentlich geschlossenen und gesperrten Zollsteg.
Von da winken wir ein nach Stettin unterwegs reisendes Motorboot heran und ein nettes Pärchen macht uns seitlich fest um uns anzuschleppen. So erreichen wir den Hafen des AZS Stettin relativ mühelos, eine schöne Fahrt.

Wir werden noch öfter so per Anhalter mitgenommen, eine erzwungende und doch angehme Art zu reisen.

Zur Erklärung: Um mit dem Segelschiff an Stettiner Haff bzw. die Ostsee zu reisen, ist eine Kanalfahrt von ca. 200km erforderlich. Diese haben wir nun, nach 4 Tagen, bewerkstelligt. In Dabie, einem Vorort von Stettin, stellt man dann den Mast und fährt die restlichen 40km bis zum Haff und kann dann bei gutem
Wind Abends in Swinemüde sein, an der Mündung zur offenen Ostsee. Aber für uns sollte es so für uns anders kommen.

Die Stegmenschen im akademischen Seglerverband (AZS) sind sehr freundlich, der Hafenmeister hat bald einen Boottechniker, Arkadiusz aufgetrieben und heangewunken, der verspricht morgen zu kommen und sich den Schaden anzugucken. Die Wirtin in der Taverna ist sehr freundlich und spricht kein Wort außer polnisch, Dion kriegt seine Nintendo und ein Schnitzel. Urlaubsfeeling, Hängematte, Entspannung pur. Wir haben den internationalen Hafen von Stettin erreicht, trotz
Unterbrechung, Hindernissen und Verzögerungen. Vier Getränke und ein Riesenschnitzel, nur 13€ - Willkommen in Polen!

Alle sind sehr freundlich und entspannt, es gibt Wlan und als Krönung des Tages eine Übertragung des Spiels aus Wembley - meine Schwester ist dort live als Unterstützung für das deutsche Team. Beide Mannschaft spielen wunderbaren Fussball, leidenschaftlich, enerigsch - am Ende triumphiert die britsche Mannschaft und wir bleiben ihre Fans bis zum Finale.

II. Intermezzo STETTIN
Unsere Reise geht am nächsten Tage nicht weiter Richtung Ostsee, vielmehr stellt Arkadiusz, unser Mechaniker einen Schaden an Getriebe und Antriebswelle fest. Unser Schiff muss gekrant werden und sozusagen zwei Tage in die Werft. Währendessen gibt es Sturm und Starkregen, wir verbringen die erste Nacht im Boot auf Stelzen, den Tag in einem Cafe und buchen uns schließlich ein Zimmer in der Jugendherberge mit Billardtisch und Riesenflatscreen, ein ziemlicher Luxus zum Boot, wo es - nach 24 Stunden regnet es immernoch, Deutschland wird gebietsweise überflutet - langsam einige undichte Stellen gibt.

Die Volvo Penta Werkstatt von Arkadiusz werde ich wegen Wasserpumpe und Wassersammler noch einige Male aufsuchen müssen, um die Kühlung unseres Dieselmotors zu gewährleisten. Nach 2 Tagen Reparaturen zahlen wir die relativ günstige Summe von 4400 Slotys, stellen den Mast und bringen das Boot in das Centrum Zeglarskie, wo sich auch unser Zimmer befindet.

"Being alive, I want to see, and all of the world is a bigger thing to see than one small town or valley"
Jack London, The cruise of the Snark

Dies ist der Bericht der Abenteuerreise mit unserer Segelyacht Pulpo auf dem Weg von Berlin um die polnische Insel Wollin durch die Ostsee. Die Pulpo, ein schwedisches Segelboot ist ziemlich alt und etwas überholungsbedürftig. Trotzdem war dies ein lohnender und sehr lehrreicher Trip - einfach lesen.

 

Logbuch der S/Y Pulpo, 23. Juni 2021 - TAG 2 Liepe-Oderberg

Ich schlafe nicht gut und habe am nächsten Morgen ziemliche Kopfschmerzen. Auf der Fahrt weiter nach Oderberg wird mir klar, dass ich das geplante Pensum nicht durchziehen kann, 2 Tage Vollgas Nonstop nach Stettin. Etwas anstegend wäre das für meinen Sohn und mich, ich finde wir haben uns etwas mehr Erholung und Ruhe am Anfang unserer Sommerferien verdient.

Luis schläft noch tief und fest, während ich in Oderberg festmache. Für den Sportboot-Parkplatz wird eine Wassertiefe von <1m angezeigt, also machen wir am Kai fest, hinter einem Ausflugsdampfer. Die Entfernungen zum Festmachen einer Yacht im Verhältnis zu den Pollern ist etwas überdimensioniert. Aber, kein Kühlschrank wir brauchen dringend frische Lebensmittel. Außedem , das einzige Bord-Feuerzeug
ist verschwunden, mein Kopf braucht dringen Kaffee, also lasse ich Luis schlafen, schreibe ihm einen Zettel und gehe vom Bord. Am Kai steht ein Schild, was das Parken von Schiffen mit einer Länge von mehr als 67m verbietet. Okay, denke ich, okay.

Ich suche einen Bäcker. Der Bäcker darf keinen Kaffee verkaufen. Ich frage nach einem Frühstückscafe. Die Bäckerin sagt, beim Netto oben in der Siedlung. Während ich dort unterwegs bin, nähern sich Streifenpolizisten dem Boot, machen Fotos, Luis schläft kriegt nichts mit. (Schau mal, oben auf dem Foto, rechts hinten…) Später, in Berlin warte ich auf Post. Jetzt, den Berg hinauf, geht meine Reise weiter, auf dem Roller statt auf dem Boot,
Kaffeedurst und Einkaufslust treiben mich weiter, ich trete den Tretroller, rolle den Berg hinauf, immer weiter. Die Sonne knallt, doch es kommt kein Netto. Ich habe Kopfschmerzen und sage mir: Es hat keinen Sinn, Nach dem nächsten Hügel immer noch keine Netto, umdrehen? Schließlich nach der letzten Steigung endlich das bunte Schild, ich parke den Roller und gehe erst mal ins Frühstückscafe und dann einkaufen.

Es knallt die Sonne, auf dem Parkplatz sagen sich die Oderberger Guten Morgen, eine irgendwie trostlose Szene.
Beim Einkaufen kommen einige Kilos und zwei schwere Taschen zusammen. Ich fahre den Berg wieder runter, schwer schleppend, nicht angenehmer als bergauf. Aber ich bin doch froh, Luis Tretroller dabeizuhaben. Übrigens, die Story von den Polizeibeamten erzählen mir zurück am Steg zwei Handwerker, die dort in der Nähe arbeiten, Luis schläft immer noch tief und fest.

Die Marina liegt ca. 1500 Meter hinter dem Ortseingang und wird von einem freundlichen Pärchen betrieben, er Hafenmeister sie Wirtin der Gaststätte. Ein festlicher Schmaus auf der Terasse mit Blick auf die vorbeifahrenden Schiffen, Abends spielt Deutschland-Ungarn, das letzte Spiel der Vorrunde.
Wir beschließen hier den restlichen Tag zu verbringen, die Weiterfahrt nach Stettin wird auf nächste Woche verschoben, mit anderer Crew. Heute erstmal einfach so ausruhen, erholen, unbeschwert und friedlich, dazu ein Jubeltor von Goretzka in der 86. Minute. Prost!

I. Intermezzo: JAZZ IN DER HOHENZOLLERNGRUFT
Am nächsten Tag geht die Fahrt eben nicht weiter Richtung Polen, sondern erstmal zurück nach Berlin-Mitte (allerdings ohne Schiff mit Zug), wo ich unter dem Dom eine historische Grabeshalle erkunde (von außen, denn diese ist wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen). Nebenan, im gerade wiedererrichteten Stadtschloss herrschten früher die Brandenburger Markgrafen und Hohenzollernfürsten, ihre Gebeine landeten unter dem Dom, in Prunksärgen, mit sagenhaften Kunstschätzen, gut konserviert. Ich fühle mich plötztlich nicht mehr wie der müde, gestresste Alltagsberliner, mit Begeisterung, Entdeckungsdrang und mit touristischem Interesse streife durch Schloss und Stadt, und durchforste nachmittags duch die Stadtbibliothek über den Dächern von Neukölln, um mehr über die Kunst der Hohenzollern zu erfahren.

Aber die einstigen Gründer und Herrscher von Spreeathen hatten leider wenig Affinität zur Kunst und Kultur der italienischen Renaissance. Da sollte man lieber Florenz besuchen. Übrigens, zu den bedeutenden Baudenkmälern dieser zählen auch die Zitadelle Spandau, von italienischen Baumeistern entworfen, und das Jagdschloss Grunewald, beides mit Kunstsammlung.
Jazz in der Hohenzollerngruft ist die eine Event - Idee, die mir bei diesem Berlin-Trip kommt, die andere Renaissance im Schlossgarten (mit meinem Kammerchor).

"Being alive, I want to see, and all of the world is a bigger thing to see than one small town or valley"
Jack London, The cruise of the Snark

Dies ist der Bericht der Abenteuerreise mit unserer Segelyacht Pulpo auf dem Weg von Berlin um die polnische Insel Wollin durch die Ostsee. Die Pulpo, ein schwedisches Segelboot ist ziemlich alt und etwas überholungsbedürftig. Trotzdem war dies ein lohnender und sehr lehrreicher Trip - einfach lesen.


Logbuch der S/Y Pulpo, 22. Juni 2021 - TAG 1 Stößensee-Liepe

Es ist gut, einen Plan zu haben.
Der Plan war, um 7h in die Spandauer Schleuse und dann abends bis zur Marina Oderberg fahren. Am nächsten Tag dann weiter zum akademischen Yachtclub AZS in Stettin. So hatte es uns ein Kamerad aus dem SVSt empfohlen. War aber für uns leider nicht ganz zu schaffen, >2h Wartezeit an der Schleuse Lehnitz - und weil unser Motor nun einmal so ist wie er ist. Meinte auch die Wirtin der Marina Oderberg am nächsten Tag. Außerdem hatten wir ab Eberswalde einen kaum zu überholenden Schubverband vor uns.

Um kurz nach 6 verließen wir, Daniel und Luis, Vater/Sohn, zu zweit den Stößensee Richtung Norden. Dabei grüßten wir ehrenerbietig die Pichelsdorfer Spundwand, wo unser letztjähriges Abenteuer endete, hoffnungsvoll, diesmal das Meer zu erreichen. Die Fahrt war die ersten 40-50 km ziemlich angenehm, trotz morgendlich kühlem und regnerischem Wetter. Dieses sollte aber in den nächsten Wochen die Ausnahme bleiben.

Das Warten in Lehnitz war etwas anstrengend, wir hätten kochen sollten, hofften aber auf ein baldiges Durchkommen, kamen natürlich unweigerlich wie bei jedem längerem Stau mit den anderen Sportfahrern ins Gespräch und landeten später hinter- und nebeneinander in der berühmt-berüchtigten Schleuse.

Danach wurde die Kanalfahrt ziemlich eintönig und schließlich etwas brenzlig, unser erstes Abenteuer mit einem polnischen Schubverband:

Das Boot vor uns war offensichtlich langsamer, wir kamen heran, aber unser erster Überholvorgang war nicht von Erfolg gekrönt; im Fahrwasser wenn man herankommt lässt sich zunächst schwer lenken und man verliert auch an Schub. Als wir schließlich zu 2/3 vorbei sind, hupen sie, weil sich ein anderer Schubverband in der Gegenrichtung nähert. Das Hupen und die dazugehörige Geste sollte wahrscheinlich bedeutetn "Fahrt mal schneller!"

Sehr witzig, haha :)

Mehr als Vollgas geht nicht! Das entgegenkommende Schiff ist wohl noch ziemlich weit weg, trotzdem bremsen wir mit Rückwärtsgang und scheren wieder hinter dem Frachtschiff ein und fuhren in dessen unsicherem Fahrwasser. Wir hätten in Marienwerder einfach pausieren sollen, denn was jetzt kommt ist etwas unangenehm: Nachdem wir ein paar Minuten fahren, die mir ziemlich lang vorkommen, werde ich langsam ungeduldig und schwenke ein Stück nach links um zu gucken, wann das entgegenkommende Schiff uns erreicht. Gleichzeitig ärgere ich mich, dass ich nicht das Überholmanöver durchgezogen habe.

Es ist sehr nervig und anstrengend hinter dem Frachtschiff, welches die Geschwindigkeit nun noch einmal drosselt um dem entgegenkommdenen Schubverband auszuweichen. Natürlich kommt das Schiff in dem Moment, als ich links rüberschwenke und das ohnehin schon schwierige Manövrieren im Fahrwasser des voausfahrenden Schubverbandes wird durch die weitere Bugwelle des anderen praktisch unmöglich, d.h. wir treiben ziemlich hilflos auf dem Kanal, ca. 70cm am entgegenkommenden Frachter vorbei.

Nächster Überholversuch:
Der Frachter, der immer noch vor uns ist, fährt konsequent in der Mitte des schmalen Kanals, wir müssen also riskieren, beim Überholen aufzulaufen. Wie gesagt, ein Nachmittagspäuschen in Marienwerden wäre schöner gewesen. Da wir aber nun schon dabei sind, wagen wir einen weiteren Versuch. Was ist es, was plötzlich wenige Meter vor uns auftaucht? Es treibt von rechts nach links. Sieht aus wie ein im Wasser schwebender, dicker Stock. Kurz darauf rumms, wir laufen auf. Rückwärtsgang, wir kommen frei aber es reißt uns schräg quer, wieder fast in die Bordwand des polnischen Schubverbandes. Die Mannschaft drüben rollt mit den Augen. "Stettin" steht auf dem Heck.

Also, dritter Versuch...
Wir sind immer noch von der Idee beseelt, in zwei Tagen nach Stettin zu fahren. Da werden wir uns doch von so einem Frachter nicht aufhalten lassen. Wir werden später auch mal Schubverbände treffen, die langsamer oder zur Seite fahren, wenn man sie überholen will. Aber das ist eher die Ausnahme. Die meisten Berufschiffkapitäne mögen, glaube ich, keine Sportschiffe.
Also, wir geben Vollgas, der Kanal hat sich für ein Stück verbreitert, so kommen wir vorbei, fast bis zum Bug, dann kommt die Verengung wieder in Sicht. Im Schneckentempo schleichen wir Stück um Stück weiter, schon überlegen wir es wieder aufzugeben, doch schließlich ziehen wir knapp am Bug vorbei, was nochmal eine ordentliche Wirbelwelle gibt und gewinnen rasch an Vorsprung, sodass wir weit vorher das Schiffhebewerk Niederfinow erreichen.

Niderfinow: Ein gigantisches, vierzehn Tausend Tonnen schweres Stahlungetüm über dem Oderbruch, das Bauwerk sieht beeindruckend aus, wie in einem düsteren Endzeit-Comic. Wir fahren rein, ohne Wartezeit, es dämmert schon. Die atemberaubende Aussicht und die Fahrt 55m nach unten sind die ersten Highlights unserer Schiffreise.

Wenige Km nach dem Hebewerk erreichen wir gegen halb zehn die Bucht von Liepe, wo wir nach 17 1/2 Stunden unterwegs ziemlich erschöpft ankern.

Der kürzeste Ostsee-Törn: Mit der Pulpo nach Spandau

Unser erster Ostsee-Törn war geplant für Anfang Juli 2020. Bei Wiek auf Rügen hatten wir ein Ferienhaus gemietet, und der Plan war mit Sohn bis Stettin, ab da mit Familie zu viert über Greifswald und Stralsund mit unserer Shipman zu fahren.

Doch der Reise endete an einer Stahlwand, kurz hinter der Freybrücke. Eigentlich noch vor Spandau. Ein idyllisches Fleckchen, zwischen Grminitzsee und Havel, ein perfektes Ausflugsziel, aber wie bitter, so unvermittelt: Dampf aus dem Motorenraum, der Impeller unseres Fairyman-Dieselmotors war zerbröselt, die Wasserpumpe tröpfelte leck, nach einer vegeblichen 24h Repraratur-Aktion und mehreren Ausflügen in den Spandauer Obi-Baumarkt gab ich entnervt auf und ließ mich von netten SVST-Kameraden wieder in den Club zurückschleppen.

Natürlich kamen vorher noch die Kollegen von der Wasserpolizei vorbei, um darauf hinzuweisen, dass es verboten sei, an dieser Wand festzumachen. Ich konnte ihnen jedoch plausibel erklären, dass es mir leider nicht möglich sei, einfach mit dem Boot wegzufahren, was ich natürlich liebend gern getan hätte, am liebsten möglich weit weg :)

Ich gab trotzdem die Hoffnung nicht auf, in diesem Sommer noch loszufahren. Die Reparatur war an sich keine große Sache. Pumpe abschrauben, aufschrauben, Impeller wechseln und fetten, alles wieder zuschrauben und dranschrauben. Dann müsste es eigentlich wieder funktionieren. Hat es aber leider nicht. Zu wenig Erfahrung. Vieleicht hätte jemand aus dem Verein helfen können, ein netter, hilfsbereiter Kamerad. Ein Techniker war nicht zu kriegen in diesem Sommer. Schließlich musste ich die Reise aufgeben. Das Boot lag am Steg und ich fuhr erstmal ins Riesengebirge. Wandern, Abstand bekommen.

Wie hatten die Shipman 28 von Andreas übernommen, der das Boot wiederum von Michael gekauft hatte. Unsere Pulpo hat also schon als SVSt-Boot eine längere Tradition. Leider haben wir (noch) keine Ahnung von Seemannschaft und solchen Dingen. Wir haben zwar schon einige Törns auf Havel und Wannsee unternommen. Aber wie lege ich einen Mast und befestige ihn seemännisch amtlich am Boot? Wie repariere ich die Elektrik, welches Problem führt zur völligen Entladung der Starterbatterie schon nach wenigen Stunden mit Positionsleuchten?

Welche Fender muss ich zum Schleusen benutzen und wie befestige ich das Boot am besten an der Schleusenwand, wenn ich keine Klampe in der Mitte habe? De Klönabend mit den anderen Fahrtenseglern, zum Thema Beichte von peinlichen Fehlern hat gutgetan. Wir waren nicht die einzigen, bei denen etwas schief ging (wohl aber wahrscheinlich die einzigen, die nicht weiter als bis Spandau gekommen sind). In diesem Jahr, 2021, werden wir endlich wieder einen Versuch wagen, die Schulferien beginnen am 24.6., diesmal sollten wir schon eine etwas längere Distanz zurücklegen:)

Ich habe, gerade nach dieser Pleite, welche ich oben geschildert habe, noch mehr Demut gelernt und freue mich umso mehr auf diese neue Saison (welche sicher auch wieder eine neue Probleme bringen wird). Meine Nachbarn und Steg-Kameraden haben sich bestimmt öfter gefragt, wieso unser Boot nicht so wohlgeordnet und gepflegt aussieht wie manch ein anderes? Es lag zum einen an unserer Unwissenheit um "Seemannschaft" und diese Dinge (was für Erfahrenere natürlich eine Selbstverständlichkeit ist), zum anderen ist es mit zwei Kindern (wie auch Zuhause) nicht immer so perfekt gestylt, wie es dem Standard des kritischen Beobachters entspricht.

Deshalb, liebe Kameraden: Es ist keine böse Absicht, nur Unwissenheit - peinlich, wenn man keine Erfahrung und keine Ahnung hat. Bitte nicht ärgern und fremdschämen – wir werden unser bestes tun! Wir wurden schon unheimlich großzügig unterstützt, mit praktischen Tipps, bei der Routenplanung, Empfehlung von Zielen und Häfen. Ich hatte auch schon zweimal das Vergnügen, auf anderen Yachten bei der High Noon mitzusegeln (was ich auch in diesem Jahr definitiv wiederholen werde). Jegliche Hilfe, konkret mit dem Shipman-Boot umzugehen, zu segeln und auch mal mitzufahren, wäre äußerst willkommen und würde auch unsere Seemannschaft um wertvolles und kostbares Wissen erweitern, sodass wir auf der Ostsee erfolgreich meistern.

Wir haben aus der Situation lernen und unsere Sichtweise verändern dürfen, dafür danken wir den offenen und auch kritischen Kommentaren der SVSt-Crew. Mögen wir davon einiges mitnehmen und auf unseren Fahrten befügeln lassen! Bis nach Spandau und noch weiter...

Daniel und die Familie Kisters