Segler-Verein Stössensee e.V.

Segeln auf der Sonnenseite der Havel
Pulpo

Pulpo

"Hier ist das Meer, der Wind und die Welle. Hier sind die Meere, die Winde und die Wellen der ganzen Welt."
Jack London, The cruise of the Snark

Dies ist der Bericht der Abenteuerreise mit unserer Segelyacht Pulpo auf dem Weg von Berlin um die polnische Insel Wollin durch die Ostsee. Die Pulpo, ein schwedisches Segelboot ist ziemlich alt und etwas überholungsbedürftig. Trotzdem war dies ein lohnender und sehr lehrreicher Trip - einfach lesen.

Logbuch der S/Y Pulpo, 3. Juli 2021 - TAG 5, Stettin-Stepnica

Wir segeln von Stettin über den Dammschen See bei mäßigen Wind, mit unserer Genua erreichen wir >5 Knoten und fahren zwischen Untiefen und Fischernetzen nach Norden, wobei wir ziemlich konzentriert fahren und gucken müssen. Nach 3 Stunden fahren wir mit Motor auf die Oder, wobei Wind und Wellen stetig zunehmen und gigantische Schiffe an uns vorbeifahren. Auf der Höhe des Industrieortes Police versagt die Wasserpumpe ihren Dienst - ziemlich grausam nach zwei Tagen in der Werft!
Ich versuche das Segel wieder hochzuziehen, aber keine Chance, das Segeln ist vor allem Richtung Norden unmöglich. Segel und Schot verheddern sich furchtbar um das Vorderstak und wir treiben hilflos in der Fahrrinne und versuchen ein Boot zu stoppen. Die englischsprachige Besatzung fährt weiter Richtung Stettin, verspricht aber Hilfe zu rufen.
Wir versuchen an einer Spundwand festzumachen, was ziemlich hoffnungsloses Manöver ist. Dion steht auf einer wackeligen Dalbe und schafft es, das Boot eingermaßen zu halten. Ziemlich gutes Krisenmanegement meines Zwölfjährigen, Respekt. Währenddessen versuche ich das Boot mit Fendern zu schützen und ebenfalls eine Leine hinten festzumachen.
Die Situation ist ziemlich brenzlig, eine weitere Yacht nähert sich, aber auch ein weiteres Riesenschiff. Wir rufen das Segelboot um Hilfe, und sie sind bereit uns Richtung Haff mitzunehmen. Als wir vom Steg losmachen, treibt es uns auch noch ans flache Ufer, wo wir dann schließlich auflaufen. Die Shipman neigt sich, als das der nächste Frachter in der Fahrrinne vorbei fährt, ziemlich bedrohlich zur Seite, fünfunddreißig bis vierzig Grad.

Weiter geht es, im Schlepptau unserer Retter, Richtung Stepnica.

Abends Lagerfeuer am Strand, Dinner mit unseren Rettern, die Dion auch am nächsten Tag mit nach Berlin nehmen, der Kleine darf sich gönnt sich eine wohlverdiente Pause von der Fahrt. Außerdem muss ja wieder eine Reparatur stattfinden, Nummer zwei auf dieser Reise, wegen kaputter Wasserpumpe. Am Ende unserer Reise, auf unserer Reise, auf der Rückfahrt ist eine solche Reparatur in Eigenletstung schon fast ein Kinderspiel. Doch jetz muss die Reise erst einmal
unterbrochen werden.
Die Marina Stepnica hat einige Annehnlichkeiten zu bieten, eine schöne, große Taverna mit gutem günstigen Essen. Ich beschließe, wenn ich mit meinem Boot schon nicht an die Ostsee fahren kann und hier festsitze – was kann ich dafür, dass sich immer mal wieder ein Bolzen aus dem alten Motor löst und ich nicht mehr weiterkomme – dann bleibe ich halt hier und genieße die Tage im Hafen.
Es gibt gute Einkuafmöglichkeiten, sogar einen kleinen Baumarkt, wo wir schließlich eine Heißklebepistole kaufen, um den defekten Wassersammler abzudichten, sowie einen Kocher, denn für unser Campinggaz-Kocher gibt es in Polen keine Kartuschen.

III. Intermezzo Stepnica-Goleniow-Stettin-Międzyzdroje-Golenio-Stepnica

Meine kleine Odysee startet mit der defekten und ausgebauten Wasserpumpe im Gepäck morgens um acht
im Bus von Stepnica nach Goleniow, von dort aus mit dem Zug weiter nach Stettin, in die Volvo Werkstatt.
Im Hafen von Stepnica gab es Konrad, einen Motorenmschen, Mann der Hafenmeisterin, er half die Pumpe
auszubauen, kein Kinderspiel. Die Johnson-Wasserpumpe wird, zurpck in Stettin-Dabie repariert
(notdüftig, auf der Rückfahrt gibt es wieder eine Panne). Ich werde diesen Weg noch zwei Mal fahren,
immer zurück zur Werkstatt von Arkadiusz, immer in der Hoffnung dass die Reise trotz allen Widrigkeiten
weitergeht. Neben der Werkstatt befindet sich das Cafe Orsola, wo wir wir beim Starkregen Zuflucht
gefunden haben und die sehr guten Kaffee haben. Auf dem Rückweg fahre ich noch ein Stückchen weiter
zum Ostseestrand bei
Międzyzdroje, wandere durch den Wollin-Nationalpark, durch Buchenwälder einige Meilen zur Steilküste,
hinunter zum Strand, nach einem ersten Bad in der Ostsee geht es zurück über Goleniow (letzter Bus fährt
15h, ich gönne mir ein Taxi) zurück nach Stepnica.

Musikalisches Intermezzo: Ich gehe heute spät ins Bett
Polnische Akustikpop-Musik wird gespielt aus meinem Radio über Stettiner Sender. Die Popsongs in polnischer Sprache dürfen ziemlich kitschig sein. Eine Band heißt z.B. Kwiat Jabłoni. Ihr Song „Dziś późno pójdę spać“, der an diesem Abend am Stettiner Haff über den Äther geht, bedeutet auf deutsch „Ich gehe heute spät ins Bett“. Die Eleganz dieses jungen Indiepop-Duos (2023 das erste Mal dann auf Europatournee) ist eine wahre Neuentdeckung.

Ich denke, ich werde für diesen Reisebericht keinen eigenen Seeblog gründen. Dazu gibt in den nächsten Jahren zu wenig Aussichten auf große Fahrten. Also wird dies eine Kisters Trio Aktion. Auch wenn das Ziel dieser Reise nicht die Erkundung der polnischen Musikwelt war. Auf https://kisterstrio.wordpress.com/ kannst du mehr lesen.
Dieser Reisebericht hat musikalische und eine literarische Fussnoten. Das unterscheidet ihn von anderen Seeblogs (z.B. https://svst.de/seesegeln/svst-unterwegs/seeblogs). Die literarischen Bezüge zum Seesegeln sind aus dem Buch The cruise of the Snark, von Jack London … dazu später…

Hier ist die Playlist "polnisch akustisch": https://open.spotify.com/playlist/0B5QI3FiTDknlrBqMV0Rhk?si=4eb80c16e1b543a4


Konrad taucht die nächsten zwei Tage nicht in der Marina auf, also versuche ich mir die Position der Pumpe am Motor zu vergegenwärtigen. Wie mussten die drei Schläuche nochmal angeschlossen werden? Ich hätte ein Foto machen sollen.
Mittlerweile weiß ich es.

"Being alive, I want to see, and all of the world is a bigger thing to see than one small town or valley"
Jack London, The cruise of the Snark

Dies ist der Bericht der Abenteuerreise mit unserer Segelyacht Pulpo auf dem Weg von Berlin um die polnische Insel Wollin durch die Ostsee. Die Pulpo, ein schwedisches Segelboot ist ziemlich alt und etwas überholungsbedürftig. Trotzdem war dies ein lohnender und sehr lehrreicher Trip - einfach lesen.

Logbuch der S/Y Pulpo, 24./25. Juni 2021 - TAG 3+4 Oderberg-Schwedt-Stettin

TAG 3: In Oderberg hat der erste Crewwechsel stattgefunden. Der ältere Sohn, Luis ist mittlerweile auf Konfirmationsfahrt und der jüngere, Dion 12 J. fährt mit an Bord, bis nach Stepnica übrigens. Wir tanken noch 20 Liter Diesel in Oderberg und fahren in sechs Stunden weiter nach Schwedt.

Nach 4 Stunden wird Dion langweilig. Ich gebe ihm das Steuer, um eine Luftmatraze zum Planschen zu suchen und WUMMS hängen wir am Rand der Fahrrine auf einer Untiefe fest. Nach 40 Minuten zieht uns ein Segelboot raus. So erreichen wir den Yachhafen Oderberg spät, gegen 21h. Nach längerem Suchen finden wir ein chinesisches Restaurant, wo wir zum Essen sehr viel Cola trinken.

TAG 4: Es ist leider noch kein Insektennetz an Bord, was für eine ziemlich kurze, unruhige Nacht sorgt. Dion findet kaum Schlaf, Das Spray scheint die Mücken nicht zu beeindrucken. Um kurz nach vier verlassen wir den Hafen und die Fahrt geht weiter nach Gartz, wo wir einkaufen und frühstücken.
Das heißt eigentlich, wie schon bei dem Ausflug in Oderberg lasse ich das schlafende Kind und unternehme die Fahrt zum Einkaufsladen alleine.

Auf der heute morgen etwas monotonen und einschläfernden Fahrt ist mir ein etwas beunruigendes Geräusch aufgefallen und tatsächlich, als wir weiterfahren wollen, lässt sich weder Getriebe noch Schraube in Gang setzen. Ich springe ins Wasser und ziehe die Yacht aus der Fahrrine, an einen eigentlich geschlossenen und gesperrten Zollsteg.
Von da winken wir ein nach Stettin unterwegs reisendes Motorboot heran und ein nettes Pärchen macht uns seitlich fest um uns anzuschleppen. So erreichen wir den Hafen des AZS Stettin relativ mühelos, eine schöne Fahrt.

Wir werden noch öfter so per Anhalter mitgenommen, eine erzwungende und doch angehme Art zu reisen.

Zur Erklärung: Um mit dem Segelschiff an Stettiner Haff bzw. die Ostsee zu reisen, ist eine Kanalfahrt von ca. 200km erforderlich. Diese haben wir nun, nach 4 Tagen, bewerkstelligt. In Dabie, einem Vorort von Stettin, stellt man dann den Mast und fährt die restlichen 40km bis zum Haff und kann dann bei gutem
Wind Abends in Swinemüde sein, an der Mündung zur offenen Ostsee. Aber für uns sollte es so für uns anders kommen.

Die Stegmenschen im akademischen Seglerverband (AZS) sind sehr freundlich, der Hafenmeister hat bald einen Boottechniker, Arkadiusz aufgetrieben und heangewunken, der verspricht morgen zu kommen und sich den Schaden anzugucken. Die Wirtin in der Taverna ist sehr freundlich und spricht kein Wort außer polnisch, Dion kriegt seine Nintendo und ein Schnitzel. Urlaubsfeeling, Hängematte, Entspannung pur. Wir haben den internationalen Hafen von Stettin erreicht, trotz
Unterbrechung, Hindernissen und Verzögerungen. Vier Getränke und ein Riesenschnitzel, nur 13€ - Willkommen in Polen!

Alle sind sehr freundlich und entspannt, es gibt Wlan und als Krönung des Tages eine Übertragung des Spiels aus Wembley - meine Schwester ist dort live als Unterstützung für das deutsche Team. Beide Mannschaft spielen wunderbaren Fussball, leidenschaftlich, enerigsch - am Ende triumphiert die britsche Mannschaft und wir bleiben ihre Fans bis zum Finale.

II. Intermezzo STETTIN
Unsere Reise geht am nächsten Tage nicht weiter Richtung Ostsee, vielmehr stellt Arkadiusz, unser Mechaniker einen Schaden an Getriebe und Antriebswelle fest. Unser Schiff muss gekrant werden und sozusagen zwei Tage in die Werft. Währendessen gibt es Sturm und Starkregen, wir verbringen die erste Nacht im Boot auf Stelzen, den Tag in einem Cafe und buchen uns schließlich ein Zimmer in der Jugendherberge mit Billardtisch und Riesenflatscreen, ein ziemlicher Luxus zum Boot, wo es - nach 24 Stunden regnet es immernoch, Deutschland wird gebietsweise überflutet - langsam einige undichte Stellen gibt.

Die Volvo Penta Werkstatt von Arkadiusz werde ich wegen Wasserpumpe und Wassersammler noch einige Male aufsuchen müssen, um die Kühlung unseres Dieselmotors zu gewährleisten. Nach 2 Tagen Reparaturen zahlen wir die relativ günstige Summe von 4400 Slotys, stellen den Mast und bringen das Boot in das Centrum Zeglarskie, wo sich auch unser Zimmer befindet.

"Being alive, I want to see, and all of the world is a bigger thing to see than one small town or valley"
Jack London, The cruise of the Snark

Dies ist der Bericht der Abenteuerreise mit unserer Segelyacht Pulpo auf dem Weg von Berlin um die polnische Insel Wollin durch die Ostsee. Die Pulpo, ein schwedisches Segelboot ist ziemlich alt und etwas überholungsbedürftig. Trotzdem war dies ein lohnender und sehr lehrreicher Trip - einfach lesen.

 

Logbuch der S/Y Pulpo, 23. Juni 2021 - TAG 2 Liepe-Oderberg

Ich schlafe nicht gut und habe am nächsten Morgen ziemliche Kopfschmerzen. Auf der Fahrt weiter nach Oderberg wird mir klar, dass ich das geplante Pensum nicht durchziehen kann, 2 Tage Vollgas Nonstop nach Stettin. Etwas anstegend wäre das für meinen Sohn und mich, ich finde wir haben uns etwas mehr Erholung und Ruhe am Anfang unserer Sommerferien verdient.

Luis schläft noch tief und fest, während ich in Oderberg festmache. Für den Sportboot-Parkplatz wird eine Wassertiefe von <1m angezeigt, also machen wir am Kai fest, hinter einem Ausflugsdampfer. Die Entfernungen zum Festmachen einer Yacht im Verhältnis zu den Pollern ist etwas überdimensioniert. Aber, kein Kühlschrank wir brauchen dringend frische Lebensmittel. Außedem , das einzige Bord-Feuerzeug
ist verschwunden, mein Kopf braucht dringen Kaffee, also lasse ich Luis schlafen, schreibe ihm einen Zettel und gehe vom Bord. Am Kai steht ein Schild, was das Parken von Schiffen mit einer Länge von mehr als 67m verbietet. Okay, denke ich, okay.

Ich suche einen Bäcker. Der Bäcker darf keinen Kaffee verkaufen. Ich frage nach einem Frühstückscafe. Die Bäckerin sagt, beim Netto oben in der Siedlung. Während ich dort unterwegs bin, nähern sich Streifenpolizisten dem Boot, machen Fotos, Luis schläft kriegt nichts mit. (Schau mal, oben auf dem Foto, rechts hinten…) Später, in Berlin warte ich auf Post. Jetzt, den Berg hinauf, geht meine Reise weiter, auf dem Roller statt auf dem Boot,
Kaffeedurst und Einkaufslust treiben mich weiter, ich trete den Tretroller, rolle den Berg hinauf, immer weiter. Die Sonne knallt, doch es kommt kein Netto. Ich habe Kopfschmerzen und sage mir: Es hat keinen Sinn, Nach dem nächsten Hügel immer noch keine Netto, umdrehen? Schließlich nach der letzten Steigung endlich das bunte Schild, ich parke den Roller und gehe erst mal ins Frühstückscafe und dann einkaufen.

Es knallt die Sonne, auf dem Parkplatz sagen sich die Oderberger Guten Morgen, eine irgendwie trostlose Szene.
Beim Einkaufen kommen einige Kilos und zwei schwere Taschen zusammen. Ich fahre den Berg wieder runter, schwer schleppend, nicht angenehmer als bergauf. Aber ich bin doch froh, Luis Tretroller dabeizuhaben. Übrigens, die Story von den Polizeibeamten erzählen mir zurück am Steg zwei Handwerker, die dort in der Nähe arbeiten, Luis schläft immer noch tief und fest.

Die Marina liegt ca. 1500 Meter hinter dem Ortseingang und wird von einem freundlichen Pärchen betrieben, er Hafenmeister sie Wirtin der Gaststätte. Ein festlicher Schmaus auf der Terasse mit Blick auf die vorbeifahrenden Schiffen, Abends spielt Deutschland-Ungarn, das letzte Spiel der Vorrunde.
Wir beschließen hier den restlichen Tag zu verbringen, die Weiterfahrt nach Stettin wird auf nächste Woche verschoben, mit anderer Crew. Heute erstmal einfach so ausruhen, erholen, unbeschwert und friedlich, dazu ein Jubeltor von Goretzka in der 86. Minute. Prost!

I. Intermezzo: JAZZ IN DER HOHENZOLLERNGRUFT
Am nächsten Tag geht die Fahrt eben nicht weiter Richtung Polen, sondern erstmal zurück nach Berlin-Mitte (allerdings ohne Schiff mit Zug), wo ich unter dem Dom eine historische Grabeshalle erkunde (von außen, denn diese ist wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen). Nebenan, im gerade wiedererrichteten Stadtschloss herrschten früher die Brandenburger Markgrafen und Hohenzollernfürsten, ihre Gebeine landeten unter dem Dom, in Prunksärgen, mit sagenhaften Kunstschätzen, gut konserviert. Ich fühle mich plötztlich nicht mehr wie der müde, gestresste Alltagsberliner, mit Begeisterung, Entdeckungsdrang und mit touristischem Interesse streife durch Schloss und Stadt, und durchforste nachmittags duch die Stadtbibliothek über den Dächern von Neukölln, um mehr über die Kunst der Hohenzollern zu erfahren.

Aber die einstigen Gründer und Herrscher von Spreeathen hatten leider wenig Affinität zur Kunst und Kultur der italienischen Renaissance. Da sollte man lieber Florenz besuchen. Übrigens, zu den bedeutenden Baudenkmälern dieser zählen auch die Zitadelle Spandau, von italienischen Baumeistern entworfen, und das Jagdschloss Grunewald, beides mit Kunstsammlung.
Jazz in der Hohenzollerngruft ist die eine Event - Idee, die mir bei diesem Berlin-Trip kommt, die andere Renaissance im Schlossgarten (mit meinem Kammerchor).

"Being alive, I want to see, and all of the world is a bigger thing to see than one small town or valley"
Jack London, The cruise of the Snark

Dies ist der Bericht der Abenteuerreise mit unserer Segelyacht Pulpo auf dem Weg von Berlin um die polnische Insel Wollin durch die Ostsee. Die Pulpo, ein schwedisches Segelboot ist ziemlich alt und etwas überholungsbedürftig. Trotzdem war dies ein lohnender und sehr lehrreicher Trip - einfach lesen.


Logbuch der S/Y Pulpo, 22. Juni 2021 - TAG 1 Stößensee-Liepe

Es ist gut, einen Plan zu haben.
Der Plan war, um 7h in die Spandauer Schleuse und dann abends bis zur Marina Oderberg fahren. Am nächsten Tag dann weiter zum akademischen Yachtclub AZS in Stettin. So hatte es uns ein Kamerad aus dem SVSt empfohlen. War aber für uns leider nicht ganz zu schaffen, >2h Wartezeit an der Schleuse Lehnitz - und weil unser Motor nun einmal so ist wie er ist. Meinte auch die Wirtin der Marina Oderberg am nächsten Tag. Außerdem hatten wir ab Eberswalde einen kaum zu überholenden Schubverband vor uns.

Um kurz nach 6 verließen wir, Daniel und Luis, Vater/Sohn, zu zweit den Stößensee Richtung Norden. Dabei grüßten wir ehrenerbietig die Pichelsdorfer Spundwand, wo unser letztjähriges Abenteuer endete, hoffnungsvoll, diesmal das Meer zu erreichen. Die Fahrt war die ersten 40-50 km ziemlich angenehm, trotz morgendlich kühlem und regnerischem Wetter. Dieses sollte aber in den nächsten Wochen die Ausnahme bleiben.

Das Warten in Lehnitz war etwas anstrengend, wir hätten kochen sollten, hofften aber auf ein baldiges Durchkommen, kamen natürlich unweigerlich wie bei jedem längerem Stau mit den anderen Sportfahrern ins Gespräch und landeten später hinter- und nebeneinander in der berühmt-berüchtigten Schleuse.

Danach wurde die Kanalfahrt ziemlich eintönig und schließlich etwas brenzlig, unser erstes Abenteuer mit einem polnischen Schubverband:

Das Boot vor uns war offensichtlich langsamer, wir kamen heran, aber unser erster Überholvorgang war nicht von Erfolg gekrönt; im Fahrwasser wenn man herankommt lässt sich zunächst schwer lenken und man verliert auch an Schub. Als wir schließlich zu 2/3 vorbei sind, hupen sie, weil sich ein anderer Schubverband in der Gegenrichtung nähert. Das Hupen und die dazugehörige Geste sollte wahrscheinlich bedeutetn "Fahrt mal schneller!"

Sehr witzig, haha :)

Mehr als Vollgas geht nicht! Das entgegenkommende Schiff ist wohl noch ziemlich weit weg, trotzdem bremsen wir mit Rückwärtsgang und scheren wieder hinter dem Frachtschiff ein und fuhren in dessen unsicherem Fahrwasser. Wir hätten in Marienwerder einfach pausieren sollen, denn was jetzt kommt ist etwas unangenehm: Nachdem wir ein paar Minuten fahren, die mir ziemlich lang vorkommen, werde ich langsam ungeduldig und schwenke ein Stück nach links um zu gucken, wann das entgegenkommende Schiff uns erreicht. Gleichzeitig ärgere ich mich, dass ich nicht das Überholmanöver durchgezogen habe.

Es ist sehr nervig und anstrengend hinter dem Frachtschiff, welches die Geschwindigkeit nun noch einmal drosselt um dem entgegenkommdenen Schubverband auszuweichen. Natürlich kommt das Schiff in dem Moment, als ich links rüberschwenke und das ohnehin schon schwierige Manövrieren im Fahrwasser des voausfahrenden Schubverbandes wird durch die weitere Bugwelle des anderen praktisch unmöglich, d.h. wir treiben ziemlich hilflos auf dem Kanal, ca. 70cm am entgegenkommenden Frachter vorbei.

Nächster Überholversuch:
Der Frachter, der immer noch vor uns ist, fährt konsequent in der Mitte des schmalen Kanals, wir müssen also riskieren, beim Überholen aufzulaufen. Wie gesagt, ein Nachmittagspäuschen in Marienwerden wäre schöner gewesen. Da wir aber nun schon dabei sind, wagen wir einen weiteren Versuch. Was ist es, was plötzlich wenige Meter vor uns auftaucht? Es treibt von rechts nach links. Sieht aus wie ein im Wasser schwebender, dicker Stock. Kurz darauf rumms, wir laufen auf. Rückwärtsgang, wir kommen frei aber es reißt uns schräg quer, wieder fast in die Bordwand des polnischen Schubverbandes. Die Mannschaft drüben rollt mit den Augen. "Stettin" steht auf dem Heck.

Also, dritter Versuch...
Wir sind immer noch von der Idee beseelt, in zwei Tagen nach Stettin zu fahren. Da werden wir uns doch von so einem Frachter nicht aufhalten lassen. Wir werden später auch mal Schubverbände treffen, die langsamer oder zur Seite fahren, wenn man sie überholen will. Aber das ist eher die Ausnahme. Die meisten Berufschiffkapitäne mögen, glaube ich, keine Sportschiffe.
Also, wir geben Vollgas, der Kanal hat sich für ein Stück verbreitert, so kommen wir vorbei, fast bis zum Bug, dann kommt die Verengung wieder in Sicht. Im Schneckentempo schleichen wir Stück um Stück weiter, schon überlegen wir es wieder aufzugeben, doch schließlich ziehen wir knapp am Bug vorbei, was nochmal eine ordentliche Wirbelwelle gibt und gewinnen rasch an Vorsprung, sodass wir weit vorher das Schiffhebewerk Niederfinow erreichen.

Niderfinow: Ein gigantisches, vierzehn Tausend Tonnen schweres Stahlungetüm über dem Oderbruch, das Bauwerk sieht beeindruckend aus, wie in einem düsteren Endzeit-Comic. Wir fahren rein, ohne Wartezeit, es dämmert schon. Die atemberaubende Aussicht und die Fahrt 55m nach unten sind die ersten Highlights unserer Schiffreise.

Wenige Km nach dem Hebewerk erreichen wir gegen halb zehn die Bucht von Liepe, wo wir nach 17 1/2 Stunden unterwegs ziemlich erschöpft ankern.

Der kürzeste Ostsee-Törn: Mit der Pulpo nach Spandau

Unser erster Ostsee-Törn war geplant für Anfang Juli 2020. Bei Wiek auf Rügen hatten wir ein Ferienhaus gemietet, und der Plan war mit Sohn bis Stettin, ab da mit Familie zu viert über Greifswald und Stralsund mit unserer Shipman zu fahren.

Doch der Reise endete an einer Stahlwand, kurz hinter der Freybrücke. Eigentlich noch vor Spandau. Ein idyllisches Fleckchen, zwischen Grminitzsee und Havel, ein perfektes Ausflugsziel, aber wie bitter, so unvermittelt: Dampf aus dem Motorenraum, der Impeller unseres Fairyman-Dieselmotors war zerbröselt, die Wasserpumpe tröpfelte leck, nach einer vegeblichen 24h Repraratur-Aktion und mehreren Ausflügen in den Spandauer Obi-Baumarkt gab ich entnervt auf und ließ mich von netten SVST-Kameraden wieder in den Club zurückschleppen.

Natürlich kamen vorher noch die Kollegen von der Wasserpolizei vorbei, um darauf hinzuweisen, dass es verboten sei, an dieser Wand festzumachen. Ich konnte ihnen jedoch plausibel erklären, dass es mir leider nicht möglich sei, einfach mit dem Boot wegzufahren, was ich natürlich liebend gern getan hätte, am liebsten möglich weit weg :)

Ich gab trotzdem die Hoffnung nicht auf, in diesem Sommer noch loszufahren. Die Reparatur war an sich keine große Sache. Pumpe abschrauben, aufschrauben, Impeller wechseln und fetten, alles wieder zuschrauben und dranschrauben. Dann müsste es eigentlich wieder funktionieren. Hat es aber leider nicht. Zu wenig Erfahrung. Vieleicht hätte jemand aus dem Verein helfen können, ein netter, hilfsbereiter Kamerad. Ein Techniker war nicht zu kriegen in diesem Sommer. Schließlich musste ich die Reise aufgeben. Das Boot lag am Steg und ich fuhr erstmal ins Riesengebirge. Wandern, Abstand bekommen.

Wie hatten die Shipman 28 von Andreas übernommen, der das Boot wiederum von Michael gekauft hatte. Unsere Pulpo hat also schon als SVSt-Boot eine längere Tradition. Leider haben wir (noch) keine Ahnung von Seemannschaft und solchen Dingen. Wir haben zwar schon einige Törns auf Havel und Wannsee unternommen. Aber wie lege ich einen Mast und befestige ihn seemännisch amtlich am Boot? Wie repariere ich die Elektrik, welches Problem führt zur völligen Entladung der Starterbatterie schon nach wenigen Stunden mit Positionsleuchten?

Welche Fender muss ich zum Schleusen benutzen und wie befestige ich das Boot am besten an der Schleusenwand, wenn ich keine Klampe in der Mitte habe? De Klönabend mit den anderen Fahrtenseglern, zum Thema Beichte von peinlichen Fehlern hat gutgetan. Wir waren nicht die einzigen, bei denen etwas schief ging (wohl aber wahrscheinlich die einzigen, die nicht weiter als bis Spandau gekommen sind). In diesem Jahr, 2021, werden wir endlich wieder einen Versuch wagen, die Schulferien beginnen am 24.6., diesmal sollten wir schon eine etwas längere Distanz zurücklegen:)

Ich habe, gerade nach dieser Pleite, welche ich oben geschildert habe, noch mehr Demut gelernt und freue mich umso mehr auf diese neue Saison (welche sicher auch wieder eine neue Probleme bringen wird). Meine Nachbarn und Steg-Kameraden haben sich bestimmt öfter gefragt, wieso unser Boot nicht so wohlgeordnet und gepflegt aussieht wie manch ein anderes? Es lag zum einen an unserer Unwissenheit um "Seemannschaft" und diese Dinge (was für Erfahrenere natürlich eine Selbstverständlichkeit ist), zum anderen ist es mit zwei Kindern (wie auch Zuhause) nicht immer so perfekt gestylt, wie es dem Standard des kritischen Beobachters entspricht.

Deshalb, liebe Kameraden: Es ist keine böse Absicht, nur Unwissenheit - peinlich, wenn man keine Erfahrung und keine Ahnung hat. Bitte nicht ärgern und fremdschämen – wir werden unser bestes tun! Wir wurden schon unheimlich großzügig unterstützt, mit praktischen Tipps, bei der Routenplanung, Empfehlung von Zielen und Häfen. Ich hatte auch schon zweimal das Vergnügen, auf anderen Yachten bei der High Noon mitzusegeln (was ich auch in diesem Jahr definitiv wiederholen werde). Jegliche Hilfe, konkret mit dem Shipman-Boot umzugehen, zu segeln und auch mal mitzufahren, wäre äußerst willkommen und würde auch unsere Seemannschaft um wertvolles und kostbares Wissen erweitern, sodass wir auf der Ostsee erfolgreich meistern.

Wir haben aus der Situation lernen und unsere Sichtweise verändern dürfen, dafür danken wir den offenen und auch kritischen Kommentaren der SVSt-Crew. Mögen wir davon einiges mitnehmen und auf unseren Fahrten befügeln lassen! Bis nach Spandau und noch weiter...

Daniel und die Familie Kisters