Segler-Verein Stössensee e.V.

Segeln auf der Sonnenseite der Havel

Wenn der Stellvertretende Bezirksbürgermeister von Charlottenburg – Wilmersdorf, Carsten Engelmann, der Vorsitzende des Berliner Seglerverbandes, Winfried Wolf, die Stellvertretende Vorsitzende des Berliner Seglerverband und Leistungsobfrau, Annemieke Bayer-de Smit, viele Vorsitzende der Berliner Seglervereine und Vereinsmitglieder an einem Mittwoch im März in unserem Vereinshaus zusammenkommen und zum Sekt Fingerfood kredenzt wird, kann es nicht um eine gewöhnliche Auszeichnung gehen. Es muss schon etwas Außergewöhnliches zu ehren sein.

Dies ist ganz zweifellos der Fall, denn Dr. Melanie Aalburg, seit 31 Jahren Mitglied im SVSt, ist für ihre sportlichen Leistungen, v.a. im Bereich des Hochseesegelns, ausgezeichnet worden.

Auch wenn man Melanie im Verein seit vielen Jahren kennt, sie ist schließlich im Verein groß geworden, war man trotzdem erstaunt, in der Laudatio des Ehrenvorsitzenden des Bezirks Unterhavel im BSV, Erich Danker, von den besonderen Etappen ihrer Seglerkarriere zu hören.

Angefangen mit Optisegeln im SVSt, Regatten in der Europe, Seesegeln mit Eltern und Geschwistern gehört Melanie heute zu den aktivsten und anerkanntesten Hochseeseglerinnen in Deutschland; u.a. ist sie die erste Regattaskipperin der Segelkameradschaft das Wappen von Bremen. Sie selbst ist diverse Hochseeregatten gesegelt. U.a. hat sie mit einer Frauencrew den Atlantik überquert und mehrfach in der Nordseewoche am Rund-Skagen- Race sowie am Rennen Helgoland-Edinburgh teilgenommen. Dabei hat sie exzellente Platzierungen erreicht, das Rennen Helgoland- Edinburgh zuletzt als verantwortliche Skipperin auch gewonnen.

Darüber hinaus ist sie gemäß ihrer Profession, denn Melanie ist so ganz nebenbei auch noch promovierte Allgemein- und Sportmedizinerin, in der Fortbildung von Seeseglern und Seeseglerinnen tätig, man denke nur an die stark frequentierten Seminare über Medizin auf See. Außerdem bewertet sie Berichte im Rahmen des Fahrtenwettbewerbs der Kreuzerabteilung. Seit kurzem ist Melanie auch die Fahrtenobfrau im Bezirk Unterhavel.

Deutlich merkte man dem Stellvertretenden Bezirksbürgermeister von Charlottenburg – Wilmersdorf, Carsten Engelmann, in seinem Grußwort an, wie beeindruckt er von den sportlichen Leistungen Melanies war. So bekam Melanie als Ehrengabe ein Tröpfchen des bezirkseigenen Weines, gewachsen an den Hängen des Eisstadions Wilmersdorf, überreicht.

Interessant war auch der Vortrag von Frau Annemieke Bayer-de Smit über Frauen im Leistungssport mit dem Schwerpunkt Segeln. Zum Glück muss Melanie nicht mehr im Rock segeln wie 1890 vorgeschrieben. Auch ist sie nicht mehr das einzige weibliche Mitglied im SVSt. Seit 1928 gibt es nämlich weibliche Mitglieder und erfreulicherweise nimmt deren Anzahl langsam, aber kontinuierlich zu.

Für ihre Verdienste erhielt Melanie unter großem Beifall die goldene Ehrennadel mit Brillanten. Ferner bekam sie eine kleine Aufwandsentschädigung, um ihr weiterhin die Teilnahme an Hochseeregatten zu ermöglichen. Eine sehr emotionelle Danksagung Melanies berührte die Anwesenden tief . Höhepunkte und schmerzliche Erlebnisse in ihrer Seglerkarriere, v.a. aber ihre Leidenschaft fürs Segeln wurden auf beeindruckende Weise deutlich.

Der Segler-Verein Stössensee ist stolz, eine solch ambitionierte Seglerin in seinen Reihen zu haben.


Laudatio des Ehrenvorsitzenden des Bezirks Unterhavel im BSV - Erich Danker

Liebe Melanie, verehrte Vereinsmitglieder und Gäste,

in der Satzung unseres Segler-Verein Stössensee finden wir die Grundsätze über die Auszeichnung von Vereinsmitgliedern aus besonderen Anlässen.

Bisher wurde diese hohe Auszeichnung, die wir Dir heute überreichen liebe Melanie, nur an Personen verliehen, die sich durch ihre Einmaligkeit und Beispielhaftigkeit, ihren bahnbrechenden Erfolg oder durch andere weitreichende Auswirkungen auf das sportliche und das Vereinsleben in überragender Weise verdient gemacht haben.

Nun fragt sich sicherlich der Eine oder Andere, warum gerade ich als Laudator hier stehe?

Dazu gibt es zwei kurze Antworten:

Zum einen sind wir gemeinsam, liebe Melanie, mit einer SVSt-Crew vor 17 Jahren über den Südatlantik von Buenos-Aires nach Kapstadt gesegelt und haben dabei rund 4500 sm im Kielwasser gelassen. Über die Höhen und Tiefen dieses Abenteuers werde ich später noch einmal kurz berichten.

Zum Anderen habe ich bereits im November des letzten Jahres einen Antrag auf Auszeichnung für besondere sportliche Leistungen für Melanie beim Vorstand und Vereinsbeirat gestellt.

Liebe Melanie,

im Sommer des Jahres 1974, Du warst gerade mal drei Monate alt, begann Deine Segelkarriere in der Tragetasche mit Deinen Eltern und Geschwistern in Berlin.

Im zarten Alter von erst 11 Jahren bist Du 1985 in den SVSt als Jugendmitglied eingetreten. Zu der Zeit hattest Du schon einige Törns mit Deinen Eltern auf dem Revier Ostsee bis zum Nord-Atlantik hinter Dir. Auf den Punkt gebracht kann man sagen: "Segeln wurde Dir im wahrsten Sinne des Wortes, in die Wiege gelegt". In den folgenden Jahren Deiner Kindheit warst Du bei vielen Familientörns als "Crewmitglied" dabei; Törns von Hamburg nach Island und zurück nach Hamburg, oder von Hamburg zum Nordkap und zurück.
Bei dem Nordkaptörn hast Du mit erst 15 Jahren Deine ersten eigenständigen Wachen gehalten. Für diese außergewöhnliche Langfahrt bist Du damals schon von der Segelkameradschaft das "Wappen von Bremen" für die seemännisch, seglerisch und navigatorisch beste Reise mit dem "Silbernen Globus" ausgezeichnet worden.

Glückwunsch, selbst heute noch, zu dieser tollen Auszeichnung.

Aber Du wolltest schon in jungen Jahren nicht ausschließlich Fahrtensegeln, nein, Du wolltest an einem richtigen Regattatraining teilnehmen. Bereits 1989 gelang Dir die Aufnahme ins Opti-Bezirkstraining und Du warst mehrfach bestes Mädchen. 1990 folgte der Umstieg in den 420er als Steuerfrau und gleichzeitig hast Du mit der Ausbildung im Bereich der Navigation und Seemannschaft begonnen. Im gleichen Jahr wurde die 1. Jugendreise von Deinem Bruder Christian mit Dir als Crewmitglied, mit der "Silbernen Möwe" als beste Jugendseereise von der KA des DSV ausgezeichnet.
Mit der "Silbernen Möwe" bist Du dann bereits 2 Jahre später mit Deiner Zwillingsschwester Stefanie vom DSV ausgezeichnet worden. So hast Du auch in Deiner beruflichen Karriere einen gradlinigen Kurs gesteuert.

1993, parallel zum Abitur schafft Melanie die Qualifikation und Teilnahme an der Deutschen Jüngstenmeisterschaft in der Europe-Jolle in Travemünde.

Gleich nach dem Abitur hast Du Dich für die Armen und Kranken eingesetzt. Du warst 4 Monate in den Slums in Kalkutta in Indien bei der "Mutter Teresa" als Helferin tätig. Alle Achtung Melanie!

Bereits im jungen Alter von 19 Jahren beginnt Melanie ihr Medizinstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin und Sie promoviert 2004 zum Doktor in der Medizin.
In den folgenden 10 Jahren engagiert sich Melanie nicht nur ehrenamtlich als Prüferin der Fahrtenwettbewerbe der KA des DSV, nein sie überquert 1999, wie von mir anfangs schon erwähnt, als Crewmitglied den Südatlantik und steuert die Svan 62 als Rudergängerin durch die "Roaring Forties" mit oft haushohen Wellen.
Später sagte mir Melanie einmal: "Erich, die abenteuerliche Süd-Atlantiküberquerung war für mich die Initialzündung und somit der Beginn meiner Begeisterung für das Hochseesegeln."

An dieser Stelle möchte ich schildern, wie Melanie oftmals ihre Wache verließ und in ihr "Kabelgat" im Bugbereich der Svan verschwand:

Erschlagen, ausgelaugt, müde. Die Augen brennen vom im Sturm angetrockneten Salz, unter dem Ölzeug, ein Ostfriesennerz aus der Jugendzeit, hat sich eine ätzende Feuchtigkeitsschicht aus Schweiß, Regen und Meerwasser gebildet. Die Finger sind verkrampft vom stundenlangen Rudergehen und von der Arbeit an den Winschen. Das war kein Spaß in den letzten 4 Stunden, aber Jörg oder Erich lösen mich ja gleich ab.

Am 21. März 1999 habe ich in meinem Logbuch notiert, ich zitiere: "Hurra, noch 999 sm bis Kapstadt. Melanie hat heute einen Brief Ihrer Mutter geöffnet, die Ihr herzlich zur Umrundung der Erde am Umfangs des Äquators mit 21640 sm gesegelter Strecke gratuliert." Ende des Zitats.

An dieser Stelle noch einmal Melanie, Herzlichen Glückwunsch zu der gesegelten Umrundung des Erdballs mit damals erst 25 Jahren.

Was nun folgt ist knallhartes Training und Hochseesegeln. Melanie verzichtet 2007 sogar auf eine Anstellung zu Gunsten des HSH - Nordbank blue-race, eine Transatlantikregatta von Newport in den USA bis nach Cuxhaven.

Die Besatzung besteht aus 14 Frauen und sie werden als großartige Botschafter des internationalen Segelsports gefeiert. Im gleichen Jahr schafft Melanie einen weiteren Kraftakt: Sie besteht die Facharztprüfung für Allgemeinmedizin. Toll Melanie, und nochmals herzlichen Glückwunsch dazu!!

Wie schreibt der Journalist Oliver Klempert: "Die Natur fragt nicht nach dem Geschlecht." Immer mehr Frauen sind im Profibereich des Segelsports aktiv.

Es folgen weitere Jahre mit hartem Training und inzwischen segelt Melanie fast ausschließlich in einem Damenteam, dass schon bald den Männerteams das Fürchten lehrt.

In den folgenden Jahren von 2008-2015 segelte Melanie bei vielen Hochseeregatten als Crewmitglied, Wachführerin und Co-Skipperin, unter anderen: die ORC - Weltmeisterschaft auf der TUTIMA, und das berüchtigte Fastnet Race. So steht Melanie bei der Nordseewoche 2015 am Steuer der "Bank von Bremen" und segelt entschlossen über die Ziellinie vor Schottland.

Skipperinnen holen Siege! Melanie schaffte etwas ganz Besonderes.

Sie gewann gegen 34 von männlichen Seglern gesteuerte Schiffe mit ihrem Team das Helgoland-Edinburgh-Hochseerennen. Glückwunsch Melanie!

Dieser Sieg wurde vor wenigen Wochen im Hamburger Rathaus mit dem German Offshore Award "Jugend" belohnt. Auch dazu herzlichen Glückwunsch.

Für Melanie war das mehr als nur ein Regattasieg, denn mit ihrem Erfolg ist sie aufgestiegen zur ersten offiziellen "Regattaschifferin" in der 80-jährigen Geschichte der Segelkameradschaft "Wappen von Bremen". Große Anerkennung Melanie!

Dieser Wettkampf-Törn war gleichzeitig eine offizielle Prüfung, um als Skipperin ein derartiges Schiff bei Hochseeregatten befehligen zu dürfen.
Noch eine Anmerkung: Mit an Bord war ein Prüfer, der jedes Kommando und Melanies Eignung als weiblicher Skipper beurteilte. Der klar herausragende Sieg war das I-Tüpfelchen über den Test.

Melanie, nochmals herzlichen Glückwunsch zur 1. Regattaschifferin der Segelkameradschaft das "Wappen von Bremen". Wir sind alle stolz auf Dich!

Für Deine außergewöhnlichen sportlichen Leistungen hast Du Dich, liebe Melanie, regional und überregional für den Segelsport verdient gemacht.
Die bisherige sportliche Karriere, die Du neben Deiner beruflichen Karriere hingelegt hast, ist in unserem SVSt einmalig.

Im Namen des SVSt überreiche ich Dir die Vereinsnadel in Gold mit Brillanten sowie einen Scheck aus Spenden von Mitgliedern des Segler-Verein Stössensee.

Vielen Dank

Erich Danker

16. März 2016

Ehrenvorsitzender des Bezirks Unterhavel im Berliner Segler-Verband.
Ehemaliger Vorsitzender Segler-Verein Stössensee e.V.
Fahrtensegler - Hochseesegler (gesegelte Seemeilen: 38.158 sm) Sporthochseeschiffer SHS, SRC/UBI, FKN


Danksagung von Melanie Aalburg

Liebe Gäste, lieber Erich,           

ich fühle mich sehr geehrt! Dies ist ein wunderbarer Moment Danke zu sagen.

Sie haben es gemerkt, Segeln bedeutet für mich vor allem eins – Leidenschaft!

Ohne Leidenschaft hätte ich zu keiner meiner seglerischen Herausforderungen bedingungslos „Ja“ gesagt - ein Ja, ohne aber gefolgt von Ausreden wie z.B.: Das ist mir zu viel Aufwand, die Zeit, der Stress…

Ohne das besondere Umfeld dieses Vereins, seiner Mitglieder, darunter ein Uwe Woite, mehrfacher Europameister in der O-Jolle, der uns Jugendlichen von seinen Erfahrungen erzählte, ohne dich, Erich, und deine Vermittlung zu unserer Südatlantiküberquerung wären mir die meisten Chancen, insbesondere die der letzten Jahre, verwehrt geblieben, denn ich hatte eine solide Basis in beidem – Regatta- und Fahrtensegeln.

Ja, ich habe jede meiner seglerischen Herausforderungen besonders auf See als eine Chance gesehen über den Tellerrand zu schauen und meinen Horizont zu erweitern.

Es ist ja im Übrigen auch nicht ausgeschlossen, dass meine Eltern vor allem an dieser Grundeinstellung ihren Beitrag haben. Sind sie doch damals als sie jung waren für eineinhalb Jahre nur mit einem Rucksack und 150 DM in der Tasche quer durch Europa, Asien und Afrika getrampt und gelaufen. Am Ende war Ihr Rucksack gefüllt von Eindrücken und unbezahlbaren Erlebnissen.

Mein Rucksack ist eher ein Seesack. Er ist inzwischen auch reich gefüllt:

  • Ich habe eine Definition von Kameradschaft, weil ich sie wirklich erlebt habe.
  • Ich habe erfahren, was es bedeutet, sich zu integrieren und in ein Team einzubringen, sich nicht wichtiger als das Team zu nehmen. Das sagt sich hier so einfach.
  • Nach einer erfolgreichen Optiregatta auf der Havel war ich schon stolz. Nach einer Hochseeregatta, z.B. dem blue-race oder Round Britain Race hatte ich Tränen in den Augen.
  • Beim Offshoresegeln ist alles größer: Jeder Mangel, jede Unwissenheit. Jeder Sieg ist ein großer Sieg und sei er am Ende nur der über sich selbst.
  • Wer dem Meer vertraut - kennt es nicht!

Sabine, eine Teamkameradin von mir, hat auf See ihr Leben gelassen.

  • Ich durfte Natur spüren – Kälte, Nässe aber auch Hitze. Wie habe ich mich erschrocken als eines Nachts der Mond plötzlich hinter der Genua auftauchte oder als eines Nachts Lichterscheinungen unter Wasser wie Torpedos um das Schiff zischten. Wir hatten den Golfstrom erreicht, er ist voller Leben und Delphine.
  • Gerd, ein toller Teamkamerad, der schon früher beim Admirals-Cup für Deutschland Geschichte schrieb, sagte einmal: „Sturm ist, wenn die Schafe auf Deich keine Locken mehr haben“. Das ist ja noch lustig.
  • Gerd sagte auch – bei einem schweren Sturm westlich von Irland mit 10 m hohen Wellen - alle paar Wellen mit Brechern so hoch wie diese Wand hier: „Schau sie dir an! Die See ist dennoch wunderschön“.
  • Die meisten Segler in meinen Teams empfinden in solchen Momenten das Gleiche - Demut und Dankbarkeit. Dies schweißt uns zusammen.

Meine Sportart hat mir Vorbilder beschert.

2013, wir sind bei der „Vendée Globe“, ein Einhand-Rennen nonstop um die Welt.

Der Drittplatzierte verliert nur 1000 sm vor dem Ziel seinen Kiel und kann aber trotzdem noch weitersegeln. Der Viertplatzierte holt natürlich auf. Er bleibt in der Nähe, um zur Not beizustehen. Er überholt nicht! bis zu folgendem Moment: Der Havarierte hält ein Schild hoch und macht ein Foto davon: „Take my third place and handle with care!“

Danke, dass ich mit so fairen Sportsleuten an einer Startlinie in ein großes Rennen in England starten durfte.

Mein Dank geht vor allem an meine Eltern, meine Geschwister, meinen Freund Boris und natürlich an all diejenigen, die jetzt hier sind und all jene, die jetzt nicht hier sein können, die mich stets unterstützt haben, mitgezittert haben, die mich unterrichtet, trainiert und natürlich auch kritisiert haben.

Meinen letzten Dank hebe ich mir auf, für denjenigen, der das Segeln in meine Familie gebracht hat.

Mein Großvater Rudolph Aalburg, der nach dem Krieg wieder mit einer H-Jolle begann und die Führerscheinausbildung hier in diesem Verein durchführte.

Rudolph ich hab dich leider nicht mehr kennenlernen dürfen – wenn du wüsstest!

DANKE