Seesegeln

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Ruums! Ein lauter Knall lässt mich zusammenfahren. Wo kam das her? Meinen die mich? Im Bruchteil einer Sekunde hatte ich schon die Antwort. Ja, die meinen mich!
Ich war also auf dem Weg von Peru nach Bolivien und hatte wieder ein Plätzchen im Nachtbus gebucht.

Der Verkäufer im Busbahnhof zeigte mir ganz stolz, dass sein Gefährt Leder-Schlafsessel habe und mich direkt in dem kleinen Dörfchen Copacabana am Titicacasee herauslassen würde.

Am frühen Morgen werde ich unsanft geweckt. Ich pelle mich aus dem durchgesessenen Stoffsitz und gucke aus dem Fenster. Weit und breit kein Dorf. Nur eine Kreuzung.

Der Busfahrer gibt mir zu verstehen, dass ich hier aussteigen muss um selbst nach Copacabana zu gelangen. Er würde jetzt nach La Paz weiterfahren. Etwas brummig schnappe ich mir meinen Rucksack und steige aus. Der Bus fährt weiter. Ich stehe an einer einsamen Kreuzung mitten im Nirgendwo, morgens um 5 Uhr und kein Kaffee in Aussicht. Meine Laune schwappt ins Negative, ein eher seltener Moment, doch dieser Busfahrer hat es tatsächlich geschafft.

Ca. 20 Minuten später kommt ein Minivan angefahren und bietet mir an, mich bis zur Grenze nach Yunguyo zu fahren. Auf dem Weg werden noch weitere Landsleute eingesammelt und so sitze ich zwischen runzligen Mamitas, neugierig guckenden Kindern, Hühnern und Ziegen.

An der Grenze angekommen bin ich zum ersten Mal der Einzige in der Migration und laufe ganz entspannt vom peruanischen Büro über die Grenze in das Bolivianische. Zack, wieder ist der Stempel drin. Es kann weitergehen.

In Copacabana angekommen entscheide ich mich direkt die Fähre auf die Isla del Sol zu nehmen, da die Stadt doch sehr trist erscheint.

Lago Titicaca

Nachdem alle an Bord sind gibt es eine kurze Einweisung. Der Bootsmann verkündet, dass es auf der Insel gerade so etwas wie einen Bürgerkrieg gäbe. Der Norden hat sich vom Süden abgespalten. Dabei wurden Häuser und Straßen gesprengt und Grenzposten eingerichtet. Aus diesem Grund wird der Norden nicht mehr mit Waren vom Festland versorgt und so ist es den Touristen nicht erlaubt in den Norden zu laufen.

Mit dem Boot zur Isla del Sol

Na toll! Diese Information hatte ich noch nicht bei der Buchung der drei Nächte im Hostel.

Auf der Insel angekommen geht es nun gefühlte tausend Inka-Stufen hoch in das Dörfchen. Auch hier ist wieder die Höhe zu spüren. Mit 3800 m über dem Meeresspiegel ist der Titicacasee der größte See Südamerikas und der höchste schiffbare See der Welt. Ich komme kurz in die Verlegenheit darüber nachzudenken ein Segelboot zu organisieren, doch verwerfe ich den Plan beim Begutachten der spiegelglatten Wasserfläche.

Lago Titicaca

Von meinem Hostel aus habe ich einen traumhaften Blick über den See. Ich starte den ersten Rundgang und bleibe sogleich auf einer Terrasse hängen um das unglaubliche Panorama zu genießen.

Ausblick aus meinem Zimmer

Dieses Bier schmeckt besonders gut

Am nächsten Tag erkunde ich die Südinsel und bemerke, dass ich nach wenigen Stunden alles erkundet habe und entscheide mich leichtfüßig dem Pfad nach Norden zu folgen.

Ruuums! Reflexartig schmeiße ich mich auf den Boden und gucke in die Richtung aus der ich den Schuss vermute. Ich warte. Nichts… Ok. Langsam bewege ich mich rückwärts und nehme einen Pfad nach Westen. Kurz darauf entdecke ich einen Grenzposten. Also ein Holzverschlag mit roter Flagge. Davor ein Mann der höchst aufgeregt mit den Armen gestikuliert und mir zeigt, dass ich schnellst als möglich zu ihm kommen soll.

Wandern auf der Isla del Sol

Isla del Sol

Es ist der Grenzposten des südlichen Inselteils. Er gibt mir zu verstehen, dass ich hier als Tourist nichts zu suchen habe und schickt mich auf einen Pfad zurück nach Süden.

Na ja. Ist noch mal gut gegangen. Also laufe ich resigniert zu einer Badestelle und beende den Tag mit einem erfrischenden Bad.

Baden im Titicacasee

Es geht weiter nach La Paz. Nicht die Hauptstadt, aber Regierungssitz des Landes. Angekommen im versehentlich gebuchten Partyhostel (es stand, dass es jeden Abend ein Freibier geben würde) in dem schon das jüngere Publikum fleißig am Zapfhahn hängt, lege ich nur kurz meinen Rucksack ab und laufe los. Plötzlich bin ich auf einem abendlichen Markt so groß wie eine kleine Stadt. Jede Straße eine eigene Rubrik. Eisenwaren in der Einen, gebrannte DVDs in der Nächsten. Dazwischen Sanitärartikel. Weiter um die Ecke Tiere und Fleisch. Nach vier Stunden, glaube ich alles gesehen zu haben und laufe weiter durch das nächtliche Stadtleben. Noch völlig fasziniert von den ganzen Menschen, Gerüchen und Eindrücken bemerke ich, wie ich von mehreren etwas kürzeren Gestalten eingekreist werde. Die Frau in der Gruppe tippt mir von der Seite hinten auf die Schulter und versucht mir zu signalisieren, dass ich da was hätte. Gelichzeitig drängt ein untersetzter Mann an meine vordere Hosentasche und versucht in dieser etwas zu finden. Mit einem beherzten Rundumschlag a la „Bud Spencer“ und einem gehauchten „Verpiss dich du Opfer“ ganz nach Berliner Manier beende ich die Untersuchung. So schnell wie die Gruppe aufgetaucht war, verschwand sie auch wieder.

Der abendliche Markt

Die nächsten Tage erkundete ich die Stadt nun tagsüber. Jedoch konnte ich mir verkneifen das San Pedro Gefängnis zu besuchen. Ein Top Sightseeing Magnet, da es eins der gefährlichsten Gefängnisse der Welt ist. Es hieß, dass dort ganze Familien leben da es für sie im Gefängnis sicherer ist, als außerhalb. So kreisten Gerüchte, dass man als Besucher in das Gefängnis gegen eine kleine Aufwandsentschädigung eingelassen wird, jedoch so mancher nicht mehr herausgelassen, da die Insassen immer wieder neue Spielkameraden suchten.

La Paz

Hach ja…

Ich entscheide mich für die abgespeckte Variante und buche eine Radtour auf der Yungas-Straße, oder auch liebevoll „Camino de la Muerte“ genannt.

„Die 80 Kilometer lange Schotterpiste ist eine der wenigen Straßenverbindungen zwischen La Paz und dem Amazonas und wurde in den 1930er Jahren von paraguayischen Kriegsgefangenen erbaut.

Von La Paz, auf 3600 m, steigt die Straße zunächst bis auf den La-Cumbre-Pass in 4670 m Höhe an und fällt danach auf etwa 1200 m in Coroico ab. Dabei windet sie sich in vielen Serpentinen über steile Berghänge und vollzieht einen raschen Übergang vom kalten semiariden bis ariden Altiplano zum feuchtwarmen Regenwald der Yungas, wobei fast alle Klimazonen Südamerikas durchquert werden.

Die alte einspurige Straße führt zumeist ohne Leitplanken an steilen Abhängen entlang, auch sorgen Regen und Nebel sowie matschiger, morastiger Untergrund häufig für einen schlechten Straßenzustand mit geringen Sichtweiten. Sie ist daher extrem schwierig und nur unter großer Gefahr zu passieren. Mit Steinschlag oder Erdrutschen aufgrund von Erosion ist jederzeit zu rechnen. Ein Unglück vom 24. Juli 1983, bei dem ein Bus ins Schleudern geriet, in eine Schlucht stürzte und die 100 Insassen in den Tod riss, gilt als Boliviens schlimmster Verkehrsunfall. Einer Schätzung zufolge verunglückten bis 2007 pro Monat zwei Fahrzeuge und es starben jährlich 200 bis 300 Reisende auf der Strecke. Zahlreiche Kreuze am Straßenrand markieren die Unfallstellen. Im Jahre 1995 wurde die Yungas-Straße von der Interamerikanischen Entwicklungsbank zur „gefährlichsten Straße der Welt“ ernannt. Seit den 1990er Jahren ist die Yungas-Straße aber gerade deswegen ein beliebtes Touristenziel. Vor allem Mountainbiker schätzen sie als Route zum Downhill-Biking.“[Quelle Wikipedia]

Tja und wie soll es auch anders sein, wache ich mitten in der Nacht wieder mit krampfenden Magen auf. Mein erster Gedanke nach „Verdammte Schei**“, ist, „das ist doch jetzt nicht wahr“. Ok also wieder der altbekannte Ablauf. Entleeren, Elektrolyte mit Wasser trinken und noch etwas versuchen im Bus zu schlafen.

Wir kommen am höchsten Punkt der Straße an. Von hier aus geht es nur bergab. Wir unterschreiben noch schnell die Verzichtserklärung des Fahrradverleihs, dann geht es los. Ich sitze zum ersten Mal auf einem Downhill Radel und muss sagen, dass ich positiv überrascht bin. Mit den Reifen so groß wie an einem Motorrad und einer Federung mit der man einfach über jegliche im Weg liegende Steine springen kann, rollen wir los. Erst ein kleines Stück Asphalt, dann beginnt die Schotterpiste. Und natürlich fängt es zu regen an.

Dieser Bus nimmt die neue Yungas Straße

Unser Guide „Jubi“ erklärt uns eindringlich, dass wir ab hier äußerst vorsichtig und jeder in seinem Tempo fahren sollen. Auf die Nachfrage eines Engländers, ob denn ein Hubschrauber kommen könnte, wenn man von der Straße abkommt, erntet er nur ein hämisches Lachen und ein „Wir sind hier in Bolivien, hier gibt es keine Hubschrauber“.

Es geht los. Während die Damen der Gruppe noch vorsichtig auf den Drahtesel steigen, ist Jubi auch schon weg. Gedanklich fehlte nur noch die Staubwolke und das „Meep Meep“ des Roadrunners. Aber es regnet ja immer noch.

Auch ich fahre los und gewöhne mich schnell an die Geschwindigkeit und den kleinen Adrenalinkick in jeder Kurve. Es wird zu einer Art Rausch und so hänge ich mich an die perfekte Linie direkt hinter dem Guide.

Radeln auf dem Camino de la Muerte

Radeln auf dem Camino de la Muerte

In den Pausen, in denen wir auf die Anderen warten kommen wir ins Quatschen und er erzählt, dass er die Straße schon, seit er auf ein Fahrrad steigen kann, fährt. Auch erzählt er weiter, hatte vor einem Jahr ein deutsches Mädchen eine Kurve nicht bekommen und ist den Abhang runter gestürzt. Das hat er aber erst später mitbekommen, da er ja immer vorausfährt. Man hat sie dann Stunden später in einem Baum hängend gefunden…. zum Glück nur ein paar Knochenbrüche.

Radeln auf dem Camino de la Muerte

Ich überlebe die wahnsinnige Fahrt und reise weiter nach Ururo. Wie ich lerne die zweitgrößte Karnevalstadt nach Rio in Südamerika.

Ururo

Davon ist nicht viel zu sehen, jedoch interessieren mich die Hexenläden in der Stadt. Neben Kokablättern und Skulpturen aus Wachs, auch getrockneten Lamaföten. Ich erkundige mich nach der Verwendung und man erklärt mir, dass man die Kokablätter und die Skulpturen der Pachamama, also Mutter Erde opfert und diese jeden ersten Freitag im Monat auf ein Feuer wirft.

Ein Hexenladen

Die Lamababys hingegen sind wertvoller. Sie werden z.B. in das Fundament eines neuen Hauses mit einbetoniert oder auch bei Hochzeiten verbrannt. Als ich weiterbohre erfahre ich, dass es sich um Totgeburten handelt. Wenn Lamas gebären, müssen die Neugeborenen direkt vom Hirten mit Stroh abgerieben und ins Warme gebracht werden. Da natürlich nicht immer ein Hirte bei einer Geburt dabei sein kann, gibt es so viele getrocknete Babys.

Getrocknete Lamas

Es geht weiter nach Uyuni um eine Jeeptour durch die gleichnamige Salzwüste und danach in die Atacama Wüste, die trockenste Wüste der Welt zu unternehmen.

Tour Ablauf

Unglaublich. Was für ein Anblick. Einen ganzen Tag fahren wir einfach nur über ein ausgetrocknetes Salzmeer. Soweit das Auge reicht nur Salz, blauer Himmel und in der Ferne ein Vulkan. Surreal.

Unser Gefährt

Der Eisenbahnfriedhof

Fotoshooting

🙂

Salz, Salz und Salz

Ein kleiner Stopp auf der „Isla de los Pescadores“, eine echte Insel in mitten der weißen Wüste auf der Kakteen wachsen und die auch einmal am Tag vom örtlichen Nahverkehr angefahren wird, machen wir die erste Pause.

Isla de los Pescadores

Ich hab dich lieb

In der Ferne donnert ein Reisebus über das Salz, wie auf einer Autobahn. Irgendwie skurril.

Die Nächte verbringt unsere kleine Gruppe aus Portugiesen und meine neue Reiseabschnittsgefährtin Sarah in einfachen Unterkünften. Nach Ankunft der Touris wird der Stromgenerator angeworfen und alle stürzen auf die Steckdosen, um die Telefone zu laden. Jedoch mit der nüchternen Erkenntnis, dass es eh kein Netz gibt.

Die Reisegruppe

Spaß mit Kameras Teil 1

Spaß mit Kameras Teil 2

Spaß mit Kameras Teil 3

Ich schleiche mich aus der Unterkunft und bewundere den Sternenhimmel, die Ruhe und die absolute Dunkelheit. Einmalig.

Am letzten Tag geht es durch die Atacama Wüste. Morgens noch schnell ein Bad in den heißen Quellen, dann rein in den Jeep. Dieser fängt nach einigen Stunden zu murren an und geht mitten im Nirgendwo aus. Nach einer Begutachtung kommen wir zu dem Schluss, dass die Lichtmaschine kaputt ist und in den letzten Stunden die Batterie leergefahren wurde.

Von der Salar de Uyuni in die Atacamawüste

Rosa Flamingos

Nach einer kalten Nacht in der Wüste

Atacama Wüste

Das Salz zerlegt halt auch den widerstandsfähigsten Toyota.

Wir warten. Es kommt ein anderer Jeep aus der Gegenrichtung. Man beratschlagt sich was zu tun ist. Maschine kaputt. Zum Glück zaubere ich meine orangene Kletterleine aus dem Rucksack und so können wir abgeschleppt werden.

Noch fährt er

Es geht über die Grenze von Chile nach San Pedro de Atacama, eine Oase in der Wüste. Aber dazu mehr im nächsten Bericht

Lorenz Kunze, 20.03.2018 vor der Insel Scharfenberg, Berlin