Seesegeln

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Schon in der Grundschule hatte unsere damalige Klassenlehrerin mein soziales Potential entdeckt mich auch mit etwas schwierigeren Charakteren zu verstehen. So hatte sie mich bereits in der ersten Klasse auf meinen Mitschüler Lars angesetzt um ihn mit in die Klassengemeinschaft zu integrieren.

Lars war ein schwierigerer Fall. Dieser super intelligente Junge langweilte sich täglich aufs Neue. Während wir Schüler krampfhaft versuchen das kleine Einmaleins zu lernen, war er schon lange in der Lage mit seinen Großeltern Skat zu spielen, das Querlesen von Büchern wurde auch längst gelernt und dass Homer keinen gelben Kopf hat, sondern ein Dichter war der die Odyssee geschrieben hat war selbstverständlich. Er konnte also nicht wirklich was mit uns anfangen. Aber ich schaffte es irgendwie ihn in die Gemeinschaft zu integrieren und so wurden wir beste Freunde.

 Ab jetzt wurde ich regelmäßig zu ihm nachhause eingeladen und durfte seine Eltern kennenlernen. Thomas und Ulrike prägten von nun an auch mein Leben für das ich sehr dankbar bin! Die beiden waren als junge Leute viel durch Südamerika gereist, hatten sich dort kennen gelernt und so gab es immer wieder spannende Geschichten über den abenteuerlichen Kontinent zu lauschen. Ulrike arbeitete in der Entwicklungshilfe und war so aus beruflichen Gründen viel auf dem fernen Erdteil. Wenn sie von der langen Reise zurück kam war dies immer ein Fest für uns Jungs, da sie die seltsamsten Früchte mitbrachte von denen man in Deutschland wahrscheinlich höchstens im Biologiebuch etwas gehört hatte. So war auch eine orangene, runde Frucht dabei. Man musste sie wie ein weichgekochtes Ei aufschneiden und konnte dann die leckeren vom süßen Fruchtfleisch ummantelten Kerne löffeln. Der Geschmack ist typisch exotisch- weinsäuerliche mit einer leichten Süße und erinnert etwas an Stachelbeere, doch lange nicht so sauer. Der Name war Grenadilla. Es fielen auch immer wieder exotische Namen wie Ecuador und Quito, was ich erst später im Erdkundeunterricht zuordnen konnte. Spätestens jetzt war mir also klar, dass ich irgendwann auch einmal in dieses ferne Land reisen werde aus denen diese super leckeren Früchte herkommen.

Grenadillas

23 Jahre später war es dann endlich soweit. Mit dem Flieger ging es von Panama City, was ja auf Meereshöhe liegt, nach Ecuador in die Hauptstadt Quito auf 2850 m. Ich checkte wieder in einem supercoolen Hostel ein und merkte wie mir etwas schwammig vor Augen wurde. Die Höhenkrankheit hatte also auch mich getroffen, doch ließ ich mich nicht davon abbringen als erste Amtshandlung den Markt aufzusuchen und Grenadillas zu kaufen. Ich feierte ein innerliches Fest und lief strahlend wie ein Honigkuchenpferd, grenadillalöffelnd weiter durch die Stadt.

Quito

Da mein Spanischübersetzter Philipp nun nicht mehr bei mir war musste ich ab jetzt alleine zurechtkommen und war positiv überrascht, wie einfach doch das ecuadorianische Spanisch durch meine Italienischkenntnisse zu verstehen war.

Meine Erkundungen führten wieder kreuz und quer durch die historische Altstadt bis hinauf auf den Hausberg Panecillo. Die gefühlten tausend Stufen bis dahin kamen mir wie eine Ewigkeit vor, mein Herz raste wie verrückt und ich keuchte wie eine alte Dampflok. Die 3000 m waren also eindeutig zu spüren. Ich musste mich akklimatisieren.

Panecillo

In den darauffolgenden Tagen machte ich nun Pläne wie es weitergehen sollte. In weiser Voraussicht hatte ich mir in Panama die Lonely Planet Sammlung von Philipp organisiert uns so begann die Reise nach dem weltberühmten Reiseführer.

Erster Programmpunkt. Mitad del Mundo. Also die Reise zur Mitter der Welt, dem Äquator weswegen das Land Ecuador auch seinen Namen hat. Von Quito mit dem Bus eine gute halbe Stunde entfernt.

Mitad del Mundo

Und sogar das Ei bleibt stehen…

Weiter ging es über Latacunga in den Cotopaxi Natonalpark und zum Quilotoa Vulkankratersee, der auf 3900 m liegt. Wunderschön!

Cotopaxi

Quilotoa Lake

Quilotoa Lake

In Latacunga traf ich auf eine Gruppe junger christlicher Missionare und sie luden mich ein mit ihnen nach Baños zu kommen um ein Bad in den heißen Thermalquellen zu nehmen. Gesagt, getan! Nach einer mehrstündigen Autofahrt und langen Gesprächen über Gott und den Glauben nahmen wir nun Platz in den 39° C heißen Bädern, die durch das kochende Wasser des Tungurahua Vulkans gespießt werden.

Das mineralhaltige Wasser soll sehr gesund sein 🙂

Thermalbad

Nach einem Abstecher zur Panorama-Schaukel Casa del Arbol nahmen sie nun Abschied von mir und bildeten einen Gebetskreis um mich herum, legten die Hände auf meine Schultern um für meine sichere Weiterreise zu beten. Ein sehr bewegender Moment…

Casa del Arbol

Mit dem Mountainbike erkundete ich weiter die verzaubernde Landschaft.

Ecuador

Ecuador

Cascada del Diablo

Weiter ging die Reise in das kleine Nest mit dem Namen Shell. Ich folgte einer Einladung der Missionare sie dort bei ihrer Abschiedsfeier zu besuchen.

Shell wurde von der gleichnamigen Erdölfirma gegründet, die nicht nur die Straße bis dahin durch den Dschungel gebaut hatte, sondern auch einen Flugplatz und Häuser. Der Erdölriese hatte die Absicht im Dschungel das schwarze Gold zu finden, was jedoch nicht zum Erfolg führte und sie so die Stadt verlassen hatten. Die Missionare entdeckten das Dorf als perfekte Absprungstelle um durch den Flughafen in das unbefahrbare Amazonasgebiet zu gelangen und Kontakt zu den Einheimischen aufzunehmen.

So gibt es jetzt einen richtigen Campus, technische Entwicklungshelfer und Piloten die den Namen Gottes in den Amazonas tragen.

Konkret haben sie sich auf Wasserprojekte spezialisiert. So geben sie Unterstützung die Trinkwasserquellen der Communities vor Verunreinigungen zu sichern, sodass die Menschen nicht mehr gezwungen sind das verunreinigte Flusswasser zu trinken. Tagsüber wird gebaut. Abends über Gott geredet.

Eine Woche war ich hier zu Gast, konnte mein Bild über den Glauben erweitern und mit sehr gastfreundlichen Menschen zusammen sein.

Zu Gast bei den Missionaren

Weiter zog es mich tiefer in den Dschungel in das Dorf Misahualli und Tena. Mit dem motorisieren Einbaum ging es den Rio Napo hinunter um eine Wildtieraufzuchtstation und eine Community zu besuchen.

Amazonas Taxi

Ozelot

Tukan

Totenkopfäffchen

Laufende Bäume

Tapir

Eine Spezialität in den Communities von Ecuador ist die Chicha aus Maniok. Das leicht alkoholhaltige Getränk wird normalerweise von den Dorffrauen Frauen zubereitet, indem sie den Maniok zerkauen und so die Stärke durch die im Speichel vorhandenen Enzyme schnell in Zucker verwandelt wird. Diese Paste fängt dann an zu gären und es entsteht die Chicha. Die Missionare erzählten mir, dass sie dieses Gebräu immer als Willkommenstrunk erhalten und es unhöflich ist dies abzulehnen. Da nicht wenige davon krank werden, versuchten sie so immer anzutäuschen, was die Indianer lustig fanden und immer eine Hand an der Schale behalten, wenn diese zum Mund geführt wird, damit ja alles getrunken wird.

Ich hatte Glück und die Chicha wurde nicht durch Kauen zubereitet, sondern zerstampft und eine zweite Pflanze für die Gärung hinzugegeben.

Chicha Zubereitung

und tanzen…

Jedoch konnte ich es mir nicht entgehen lassen die lokalen Leckereien zu probieren und so gab es gerillte Maden am Spieß. Gar nicht so übel!

Lecker schmecker

Etwas zäh, aber gut

Das benachbarte Dorf Tena ist weltbekannt für den Wildwassersport und so buchte ich eine Raftingtour auf dem oberen Rio Napo. Ein etwas anderes Erlebnis als in Europa, da hier das Flusswasser warm ist und man nicht in voller Neoprenmontur antreten muss. Begleitet wurden wir von zwei Kajakfahren die uns sichern sollten. Nach einigen Kilometern konnte ich einen von ihnen überreden mir doch bitte sein Kajak zu überlassen und so durfte ich die halbe Strecke bei Wildwasser Stufe 4 mit seinem Kajak paddeln. Wooohoo 🙂

WW auf dem Rio Napo

Achtung Welle!

Wir haben überlebt

Ich hatte mich mittlerweile entschieden wie es weitergeht. Meine Reise sollte nun bis nach Santiago de Chile führen um von dort aus den Flieger nach Australien zu nehmen um meinen Cousin zu besuchen.

Vor mir lagen also tausende von Kilometern die mit dem Bus zurückgelegt werden sollten, weitere vier Südamerikanische Länder, wilde Grenzübergänge und das Unbekannte.

Es ging mit dem Nachtbus weiter über die historische Stadt Cuenca bis zur Grenze von Peru…

Cuenca

Lorenz Kunze, Mount Victoria, Australien 19.05.2017