Sodade, Sodade dess nha terra Sao Nicolau….
Die von Cesaria Evora gesungene Coladeira ist die heimliche Nationalhymne der Kap Verden. Sodade beschreibt die Sehnsucht der ausgewanderten Kapverdianer nach ihrem Land in der Ferne.
Man hört sie fast täglich in den Straßen von Mindelo….. und wie recht sie damit hat!
Cabo Verde, entdeckt im Jahre 1456 durch die in eine Flaute geratenen portugiesischen Seefahrer, die die Afrikanische Küste entlangsegelten um das Kap der guten Hoffnung zu finden, erstrecken sich die 15 unterschiedlichen Inseln mitten im Atlantischen Ozean.
Bis dato noch unbewohnt wurden sie so nun schnell durch Familien aus Madeira besiedelt. Später stellten sich die Inseln als vermeintlich guter Umschlagplatz für den Sklavenhandel zwischen Afrika und Amerika heraus. Es gesellten sich Seefahrer aus ganz Europa dazu. Die durch die Vermischung entstandenen Menschen stellen die Einheimischen der Kap Verden. Die Unabhängigkeit wurde 1975 friedlich erfochten.
Vom 06.12.2016 bis 10.01.2017 war dies nun meine neue Heimat und so durfte ich einen kleinen Einblick in Inselleben genießen.
Mit der KOBOLD auf der Insel Sal ganz im Osten angelandet zeigte sich die erste, sehr trockene Insel von einer eher uninteressanten Seite. Das wie auf fast jedem Taxi gut sichtbar aufgeklebte Motto der Insel „No Stress“ stellte sich lediglich für die Touristen heraus, welche wohl behütet in den Hotelanlagen im Süden der Insel hausten. Die Einheimischen waren jedoch sehr akribisch darauf bedacht den größtmöglichen Profit aus den täglich landenden TUI Fliegern zu schöpfen, was dadurch eine eher anstrengende Atmosphäre schaffte.
Zum Glück lies der Satz aus dem Reiseführer „ Sal ist nicht Kap Verde!“ Hoffnung schöpfen. So ging es schnell nach Mindelo auf die Insel Sao Vicente weiter, wo ich die meiste Zeit meines Aufenthalts verbrachte.
Schon das nächtliche Einlaufen stellte sich als kleines Abenteuer heraus. Der in einer großen Bucht liegende Hafen beherbergt neben den vielen Yachten, einigen Fähren und ab und zu verirrten Kreuzfahrtschiffen auch einige, teils unbeleuchtete Wracks. So ankerten wir nach einem spannenden Wrackslalom im Vorhafen der Marina.
Am nächsten Tag bekamen wir dann gleich unfreiwilligen Besuch von einem rüstigen deutschen Rentner, der sich als ehemaliger Berufsskipper herausstellte und uns in ein paar Sätzen das Leben in der Stadt beschreib. 1. Man kann sich in der Stadt auch nachts frei bewegen. 2. Die Einheimischen sind sehr freundlich und sozial eingestellt. So könne man sich sogar als europäischer Rentner dort von den einheimischen Familien bis an sein Lebensende pflegen lassen. 3. Sex zu haben ist hier wie Kaffee trinken. Man muss nur nett fragen.
Ahja! Mit diesen für uns wirklich sehr wichtigen Informationen konnten wir nun endlich an Land gehen.
In der Stadt herrschte ein buntes und geschäftiges Treiben. Auf der nördlichen Seite, dem einheimischen Teil, erstreckt sich ein großer freier Markt auf dem alles gehandelt wird, was sich noch verwerten lässt. Neben zerlegten Fahrrädern, Waschmaschinen, diversen Kabelsortimenten und ganzen Sofas, natürlich auch Obst und Gemüse.
Gleich daneben eine riesige Fischhalle, in der die lokalen Fischer ihren Tagesfang direkt abgeben und man für kleines Geld super frischen Fisch ergattern kann.
Auf der südlichen Seite erstreckt sich ein wunderschöner weißer Badestrand, genannt Laginha, mit angereihten Strandbars. Ab Mitternacht die Partymeile der Insel…
Östlich erhebt sich die Stadt auf einen kleinen Hügel ins Hinterland auf dem das Stadtbild dann von Gründerzeitbauten zu einfachen und zweckmäßigen Behausungen wechselt.
Die erste Woche checkte ich in dem kleinen und einfachen Hotel Chave D’Ouro ein, was wohl das günstigste Hotel für gestrandete Seefahrer darstellt. Ein Hotel erbaut im Kolonialstil indem man das Gefühl hat, dass die Zeit stehen geblieben ist.
Hier lerne ich auch meinen neuen Reisegefährten Philipp kennen, der auch hier gestrandet war um ein Boot nach Brasilien zu finden. Zusammen machten wir ab jetzt die Stadt unsicher.
Da er bereits drei Wochen vor mir angekommen und dem ein oder anderen Grogue nicht abgeneigt ist, war er bei den Einheimischen bekannt wie ein bunter Hund.
Um ihn etwas aus dem festgefahrenen Stadtleben zu befreien konnte ich ihn letztendlich überreden mit auf die Nachbarinsel Santo Antao zu kommen um das so angepriesene Wanderparadies zu testen.
Mit der ausrangierten ehemaligen Kanaren-Fähre setzen wir dann über. Zum Warmwerden wollten wir die Standardtour unternehmen. Vom Hafen Porto Novo mit dem Pick-Up auf den 1300 m hohen Cova Krater und dann durch das grüne Tal Paúl herunterlaufen bis zum kleinen Stranddorf Vilas das Pombas.
Um aus dieser Standardtour eine für uns würdiges Ereignis zu machen, starteten wir also den Paúl Bier-Marathon. Die Disziplin bestand nun darin in jedem kleinen, auf dem Weg liegenden Dorf die Kneipe zu finden und dort jeweils ein kleines Strela Bier zu bestellen. Ein waghalsiges Unterfangen, denn es gibt überraschender Weise sehr viele Kneipen auf dem Weg, was Philipp anscheinend wusste und sich nur deswegen hat überreden lassen mitzukommen.
So wurde unsere Laune immer besser und wir kamen 4 Stunden später mit bester Laune am Strand an. Eine wunderschöne Tour erst durch den Krater und dann durch das grüne Tal mit Bananen, Papaya, Zuckerrohr, Kaffee und vielen weiteren tropischen Pflanzen.
Weiter ging es am nächsten Tag abseits der Standardpfade in die umgebenden Riberas. Santo Antao, ein grünes Wanderparadies!
Zurück in Mindelo verabschiedete sich Philipp um über Weihnachten bei den Eltern zu sein, jedoch mit dem Versprechen im neuen Jahr zurück zu kommen und dann gemeinsam ein Boot in Richtung Brasilien zu finden.
Meine weiteren Streifzüge führten quer über die Insel. So konnte man sich für wenige Escudos ein Plätzchen im Minivan, hier Aluguer, nehmen und sich irgendwo auf der Insel absetzen lassen und dann querfeldein durchs Land ziehen. Wunderschön!
Ich war nun auf der Suche nach einer günstigen Unterkunft und traf dabei auf Fred.
Der halb Portugiese, halb Angolaner mit einer großen Narbe am Hals hatte er eine Privatunterkunft etwas weiter am Stadtrand gefunden und es war sogar noch ein Zimmer frei. So hatten wir nun eine großzügige Wohnung mit eigener Küche, Wohnzimmer und Balkon. Hier verbrachten wir nun Weihnachten und Silvester.
Wie sich später herausstellte wurde er in Angola von einem Türsteher mit einer AK47 in den Hals geschossen und ist nur sehr knapp mit dem Leben davon gekommen.
So ist er seither auf der Suche dies zu verarbeiten und freute sich sehr jemanden zum Reden zu haben.
Als kleines Highlight und Teil unseres kulturellen Austauschs bereitete ich uns zum 1. Weihnachtsfeiertag eine echte Weihnachtsganz mit Rotkohl und Klößen zu.
Wir verbrachten die Tage über Weihnachten meist am Strand mit einem straffen Sportprogramm und tollen Partys am Abend.
Silvester wurde komplett auf der Straße gefeiert. Die Menschen mussten von allen benachbarten Insel zusammengekommen sein. Die Stadt spendierte ein großes Live-Konzert und ein 15 minütiges Feuerwerk, was sich erstaunlicher Weise bis nach Deutschland rumgesprochen hatte, da mir auf einmal Anton Hofreiter kurz vor Mitternacht über den Weg lief.
Im neuen Jahr war ich dann endlich soweit meinen ersten liebevoll genannten „Bettelzettel“ auszuhängen. Der erste Schritt um auf einem Boot mitgenommen zu werden.
Dabei gibt es natürlich verschieden Wege. Die einen versuchen es bereits von Zuhause aus über Crewbörsen im Internet, andere verbringen jede Nacht in der Marinabar, in der Hoffnung einen Skipper zu treffen, oder halt ein Mix aus allem. Eine sehr effektive, aber auch sehr zermürbende Methode ist es, jegliche Yachten in der Marina abzulaufen und jedem Skipper persönlich von seiner vermeintlich misslichen Lage zu unterrichten.
Ich hatte Glück und bekam wenige Tage nach dem Aufhängen meines Zettels ein Angebot auf der CHEGLIA den Atlantik zu überqueren. Eine nagelneue Boreal 52 aus Aluminium, gebaut als Expeditionsyacht mit Eiszertifizierung, wie mir der Eigner Martin stolz erzählte. Leider war das Ziel nicht Brasilien, sondern St. Lucia in der Karibik….
Auch Andreas, der Skipper einer Catalina 46 hatte großes Interesse an mir, jedoch wollte er direkt die rund 2300 sm Großkreis nach Puerto Rico durchsegeln. Weiter hatte er mir erzählt, dass er bereits zwei Wochen vorher versucht hatte in die Karibik zu kommen. Jedoch musste er nach drei Tagen umkehren, da ihm die Wanten gebrochen waren, der Bowdenzug vom Motor gerissen und keins seiner drei Funkgeräte mehr funktioniert hatte. Außerdem war seine Stopfbuchse sehr undicht und es bildete sich regelmäßig ein ordentlicher Badesee in der Bilge. Das war mir dann doch zu abenteuerlich für eine Atlantiküberquerung, jedoch habe ich ihm noch schnell geholfen und aus seinen drei nicht funktionsfähigen Funkgeräten, wenigsten wieder zwei funktionierende gemacht.
Da ich nicht noch länger auf „Angebote“ nach Brasilien warten wollte entschied ich mich letztendlich für die CHEGLIA. Es gibt ja schlimmeres als in die Karibik zu segeln. Jedoch wollte ich natürlich den wieder angereisten Philipp mitnehmen und so waren wir schon zu dritt.
Die Reise sollte am 10.1 losgehen. Zwei Wochen sehr viel sitzen und liegen. Also musste ich mich vorher noch etwas auspowern.
Wieder nahm ich die Fähre nach Santo Antao, diesmal ohne Philipp.
Die erste Tour zum warmwerden jedoch vom 1400 m hohen Dorf Pico da Cruz wieder herunter nach Ribera Grande.
Eine noch schönere Tour als die im Paúl Tal. Diesmal fast ganz allein immer dem schmalen Pfad auf dem Bergkamm zwischen Paúl und dem Nachbartal folgend durch verschiedene Dörfer bis zur Strandkneipe.
Mitten im Nirgendwo auf ca. halber Strecke kam mir dann plötzlich ein weiterer Philipp entgegen. Seinen Zettel hatte ich auch in der Marina aushängen sehen mit dem Wunsch nach Brasilien mitgenommen zu werden.
Nach einem kurzen Schnack entschied ich dann ihn dem Skipper zu empfehlen. So waren wir also zu viert auf der CHEGLIA.
Zur Belohnung dann endlich ein Bier und einen Riesenteller frische Cachupa.
Am nächsten Tag dann die etwas anstrengendere ca. 30 km Tour. Ich startete mit dem Küstenwanderweg von Ponta do Sol bis Chã de Igreja. Die mit einer fast insgesamt 1.800 Höhenmetern auf ehemaligen Maultierpfaden verlaufende Strecke ist größtenteils gepflastert und schlängelt sich gewagt um Felsvorsprünge, windet sich in engen Serpentinen hinauf und hinunter und ist zum Teil direkt in die senkrecht nach oben ragenden Felswände hineingehauen. Immer im Blick: der tosende Atlantik.
Doch diesmal war ich nicht allein. Gleich hinter dem Friedhof in Ponta do Sol gesellte sich eine Hundedame zu mir, dich sich partout nicht abschütteln ließ. So liefen wir gemeinsam bis Chã, wo ich sie dann elegant durch ein Ablenkungsmanöver zurück lassen musste.
Mittlerweile war es erst 12 Uhr mittags und ich überlegte, ob ich die vorgegebene Tour hier beenden, oder doch noch weiterlaufen sollte. Ich entschied mich natürlich fürs Weiterlaufen und begann mit dem 800 Höhenmeter Aufstieg über den Bergkamm in das Tal Ribeira Grande. Ein sehr gewagtes Manöver wie sich herausstellte.
Nach 9 Stunden beendete ich die Wanderung am Aquädukt von Ribeira Grande.
Meine Beine wollten nun gar nicht mehr und ich schleppte mich mit wirklich letzten Kräften ins Hotelzimmer. Mission erfolgreich. Der Atlantik kann kommen.
Den letzten Tag vor der Abreise hatten wir dann noch Glück eine Vor-Karnevall Party zu erleben.
Philipp hatte davon gehört und so machten wir uns auf im östlichen Teil von Mindelo danach zu suchen. Nach einiger Zeit kamen wir der Musik näher und waren irgendwann direkt in einem riesigen Menschenhaufen die ihre Mandinga Statisten feierten. Dabei wurden wir etwas schief angeguckt, da wir die einzigen Weißen weit und breit waren. Aber schnell kam man ins Gespräch und es wurde ein feucht- fröhlicher Abend.
Kap Verde. Ein Muss für jeden Segler auf dem Weg in die Karibik, sich HIER Zeit zunehmen, die Wanderschuhe anzuziehen und sich die noch nicht touristisch überfüllte Schönheit der Menschen und des Landes zu genießen!
Ich habe die Einwohner als sehr freundlich und hilfsbereit kennengelernt. Jedoch ist in den Gesichtern oft Traurigkeit und Zweifel zu erkennen.
Dies wird nicht zuletzt daran liegen, dass das Leben auf den Kap Verden relativ teuer ist da u.a. die Lebensmittel per Schiff importiert werden müssen und sich so sehr viele Menschen nur einfache Dinge wie Bohnen und einige wenige Gemüsesorten leisten können.
Jedoch dabei zuzugucken wie die Yachtbesitzer tonnenweise die für die Atlantiküberquerung benötigten Lebensmittel in Karawanen aus Einkaufswagen zur Marina schieben lassen, macht schlechte Laune.
Auch zu beobachten wie die scharenweise am Morgen angekarrten Kreuzfahrer durch die Stadt getrieben werden, ohne groß Geld da zu lassen, da sie tagsüber geführte Touren haben und abends wieder an Bord sein müssen, damit lieber die Bordbar geplündert wird, als die einheimischen zu nutzen, trägt nicht zum lokalen Einkommen bei.
Leider wird sich dieses Bild auf meiner weiteren Reise immer wieder wiederholen… Aber dazu mehr im nächsten Bericht.
Lorenz Kunze, Baños, Ecuador 19.02.2017
Comments are closed