Segler-Verein Stössensee e.V.

Segeln auf der Sonnenseite der Havel
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Ehrung Melanie Aalburg
Ehrung Melanie Aalburg
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Mittwoch, 16. März 2016, 17:00

Der SVSt  freut sich über die Ehrung seines langjährigen Mitglieds Dr. Melanie Aalburg.
Melanie Aalburg wird für ihre überragenden sportlichen Leistungen und dafür, dass sie sich regional und überregional um den Segelsport verdient gemacht hat geehrt.

Die Laudatio hält der Ehrenvorsitzende des Bezirks Unterhavel im BSV, Herr Erich Danker.

Die Veranstaltung beginnt um 18:00 Uhr im Vereinshaus, Getränke sowie ein kleiner Imbiss werden gereicht.

Wir freuen uns über eine rege Teilnahme und bitten um eine kurze Info per E-Mail an Wolfgang Böhm (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) bis Montag, 7. März 2016 mit der Angabe, mit wie vielen Personen Sie an der Veranstaltung teilnehmen möchten.

 

Anlässlich der Ehrung zeichnete Wolfgang Böhm folgendes Interview mit Melanie Aalburg auf:

Wolfgang Böhm: Unser Verein, der SVSt möchte Dich, liebe Melanie, ehren. Ehren für eine unvergleichliche Segelkarriere und auch für Dein Engagement für das „Segeln an Land“ das heißt z.B. du bist Fahrtenobfrau des Bezirks Unterhavel im BSV, Veranstalterin der Wochenendkurse „Medizin auf See“ und Prüferin bei der KA des DSV für die Vergabe der Plaketten in den Fahrtenwettbewerben.

Bleibt da denn überhaupt noch Zeit zum Arbeiten und zum Segeln?“

Melanie Aalburg: „Als sich mir 2006 die Chance bot, die Ausscheidungen für ein Transatlantikrennen mit einer reinen Frauencrew zu bestreiten, konnte ich auf eine solide Basis zurückgreifen und selbstbewusst in die harten Sichtungen gehen. Was für ein Glück, ich konnte beides: Regatta- und Fahrtensegeln.

Ein Training im Regattasegeln bekam ich vergleichsweise spät und nur für wenige Monate, nämlich mit 15 Jahren im Opti bei Trainer Spigi, dem Bezirkstrainer. Mehrmals wurde ich dann in Regatten bestes Mädchen. Die Qualifikation zur DJM verpasste ich aber wegen eines Protestes. Ich war todtraurig.

Stattdessen segelte ich mit der Familie zum Nordkap, ging alleine Wachen, übernahm erste nautische Verantwortung. Im Fahrtenwettbewerb gab es hierfür Auszeichnungen u.a. den Silbernen Globus der SKWB. Im Bremer Rathaus waren in dem Jahr (1989) gerade erst Frauen zugelassen worden. Wir Kinder aber nicht. Mit Murren ließ man uns dazu. Hier sah ich eine Liveschaltung zum gerade stattfindenden Whitbread Round the World Race, die Schlüssel von Bremen von der SKWB kämpfte sich gerade durch den Southern Ocean, die Bilder beeidruckten mich zutiefst.

Mit 18 Jahren hatten meine Schwester und ich die nötige Reife für einen ersten eigenständigen Seetörn mit Freunden auf der Ostsee. Er war ein Lehrstück. Navigation noch ohne GPS und kurz vor Schluss bei Gewitter aus dem engen Fahrwasser bei Freest geraten und aufgelaufen. Der Seenotrettungskreuzer musste anrücken. Dennoch erhielten meine Schwester und ich für diese Reise die Silberne Möwe, die höchste Auszeichnung des DSV im Jugendfahrtenwettbewerb.

Das Studium begann, parallel dazu jobbte ich als Segellehrerin für die Führerscheinausbildung für den BSV und gab die Fächer Seemannschaft und Wetter.

1999 durfte ich als „Youngster“ mit auf die Atlantiküberquerung von Buenos Aires nach Kapstadt. Erich Danker habe ich dieses tolle Angebot zu verdanken. Dafür verschob ich sogar das 1. Staatsexamen. Für mich war es das Größte und Ultimative, was man im Segelsport machen kann: Die Überquerung des Süd-Atlantiks! Es wurde für mich nicht nur die 1. Atlantiküberquerung, sondern auch die erste Erfahrung auf einem 60f Schiff mit Radsteuerung, dazu unter dem hoch erfahrenen Schiffseigner Manfred Kerstan. Manfreds Seemeilen reichen von der Erde bis zum Mond, weshalb er in der Szene auch „der Mann, der bis zum Mond segelt“ bezeichnet wird. Beeindruckt hat mich seine bedächtige Ruhe, mit der er sich an Bord bewegte.

Das Studium hatte Vorrang. Die Promotion lief. Parallel dazu lernte ich als Vorschoterin auf dem Laser-II von Michael Koch ein neues Metier kennen. Wir fuhren zur EM und sogar zweimal zur WM, gewannen die Warnemünder Woche. Ich lernte hierbei den Umgang mit dem Spi. Michael ist ein Tüftler, der nie zufrieden ist. Diese Erfahrungen haben mich sehr geprägt.

Im Anschluss an die Promotion wollte ich endlich wieder Dinge tun, die mir Spaß machten. Ich spielte wieder Geige im Orchester, meldete mich zum SSS-Schein beim DHH auf Elba an und nahm am Marathon teil. Da ich gerade so gut am Lernen war, lernte ich auch noch im Selbststudium für den SHS.

Schon seit meinem 24. Lj. engagierte ich mich ehrenamtlich als Prüferin der Fahrtenwettbewerbe der KA, zu der man mich und meine Schwester für die Beurteilung der Jugendseereisen eingeladen hatte.

Es war 2006 und es stand eben jene Preisverteilung in Hamburg an. Es war Zufall, dass ich dort von einem Herrn vom DHH in Glücksburg folgenden Satz mitbekam: Wir suchen 14 geeignete Seglerinnen für das Transatlantikrennen HSH-Nordbank blue-race von Newport nach Cuxhaven auf unserer X61.

Was für ein Glück, ich kann beides! Regatta- und Fahrtensegeln.

An meinem Geburtstag Anfang April, den ich verschwieg, steckte ich also mitten in der Sichtung: 6 Uhr Fitnessleistungstest, Starkwindsegeln im Schneetreiben, Schlafmangel. Unter den Mitbewerberinnen war ich nur eine von vielen. Ich fand mich in einer anderen Segelrealität wieder, die ich aus Berlin nicht kannte und nicht für möglich gehalten hätte. Endlich!

Meine Nominierung erfolgte Ende 2006. Das Jahr war extrem lehrreich - voller Höhen und Tiefen. Konkurrenz und Freundschaft – Teambuilding – Sponsoring – Projektmanagement - Presse

Mit Beendigung meiner Facharztweiterbildung Anfang 2007 widmete ich mich ausschließlich dem Projekt Blue-race, verzichtete auf eine Anstellung, was aber durchgeplant sein musste. Meine Aufgaben an Land waren Medizin, Sicherheit, Fitnesstraining der Crew und deren Coaching, navigatorische Vorbereitung der Atlantikpassage.

Das Rennen dauerte 21 Tage. Stürme, Flauten, der Ausfall der Bordelektronik aber vor allem das Überwinden aller Probleme, machte es zu einem unvergesslichen Erlebnis für die gesamte Crew, die hervorragend harmonierte.

Direkt im Anschluss bestand ich die Facharztprüfung und startete mit einer Halbtagsstelle den Weg zurück in die Zivilisation. Das Team aber blieb weitestgehend bestehen. Zunächst noch als Team KPMG und dann weiter als Team Rügenfisch segelten wir ambitioniert alle Rennen, die es auf Ost- und Nordsee gab. Die Trainingsstützpunkte wechselten zwischen Kiel, Warnemünde und Lauterbach. Ein Teil der Crew wurde zum Cowes–Cherbourg–Race geladen, einem Afterwork-Rennen für die Engländer. Unser Carbonracer Yeoman (Rogers 46) wurde von keinem Geringeren geführt als dem Präsidenten des Royal Ocean Racing Club (RORC). Welche Ehre! Wir gewannen die stürmische Kreuz über den Kanal, erlebten auf der Rücktour unter Gennaker dann erst einen Geschwindigkeitsrausch mit 22 kn, dann später in einer Patenthalse einen Baumbruch. Dieses Segelwochenende werde ich nie vergessen.

Der tödliche Unfall unseres Teammitglieds Sabine an Bord ihres Schiffes beim Baltic-Sprit-Cup 2009 nahm uns alle schwer mit.

2010 existierte unser Team nicht mehr, ich wechselte zum neu gebildeten 14-köpfigen Damenteam der Tutima um Skipperin Kirsten Harmstorf. Der Fokus lag hier eher auf Inshore-Regatten. Anfangs noch belächelt, verbesserte sich das magenta-farbene Team von Regatta zu Regatta. Die ORC-WM im eigenen Land wurde zu einem ersten Erfolg (Tagessieg). Ich führte „Arbeitsplatzbeschreibungen“ für jede Position und jede Situation ein, inzwischen sind sie fast ein Buch. Sie ermöglichen einen schnellen Positionstausch oder den unkomplizierten Neueinstieg von Seglerinnen. 2011 sprang ich auf der Bank von Bremen beim Helgoland-Edinburgh-Race ein. Endlich mal unter Männern. Endlich wieder Offshore. Daher entschloß ich mich, nun zur Bank von Bremen zu wechseln und nur noch aushilfsweise bei der Tutima mitzusegeln. 2012 wagte ich sogar den Schritt zurück zum Fahrtensegeln. Die Überführung von den Azoren nach Gibraltar nur zu zweit mit dem nahezu Weltumsegler Peter Lühr genoss ich. Wie schön waren wieder mal Einzelwachen und alles während der Wache selber tun zu dürfen.

2013 hatte ich für mich das Fastnet-Race geplant, leider fuhr die Bank von Bremen nicht mit, so kam mir das Angebot von „Farmers-Snack“ Inhaber und Eigner der Shakty (Rogers 46, ehemals Yeoman) eine Saison in England mit zu segeln gerade recht.

Logistisch wirken Wochenendtrainings auf dem Solent absurd, mit entsprechender Planung waren sie aber durchaus machbar. Mein neues Hausrevier war also das Seegebiet um die Isle of Wight. Ich nahm am legendären Round-the-Island-Race teil und startete schließlich bei dem Klassiker - dem Fastnet-Race. An Bord unseres Carbonracers war das Leben unter 10 Männern insbesondere als Frau ohne Toilette unangenehm dafür waren wir schnell. Unsere furiose Aufholjagd zum Schluss brachte uns die drittbeste deutsche Platzierung ein. Ich sprang 2013 dann nochmal bei der Tutima ein. Wir wurden Deutscher Vizemeister bei der IDM-Offshore.

Im kommenden Winter Anfang 2014 meldete sich die Bank von Bremen wieder zurück. Ich wurde als einzige Frau Crewmitglied beim Round Britain and Ireland Race. Position: Wachführer, Rudergänger

Es geht wohl als eines der härtesten Round Britain Races in die Geschichte ein. Ein schwerer Sturm sorgte erst für Startverschiebung, dann für Kursänderung anticlockwise. Am Start fegten die Volvo-Ocean-Racer an uns vorbei. Der Watermaker fiel zuweilen aus, wenn wir zu schnell waren. Das schwerste Wetter erwischte uns dann, als wir auf der Westseite am Rande des Festlandsockels zur Insel und Bahnmarke St. Kilda kreuzten. 10 m Welle und knapp 50 kn Wind. Als Rudergängerin wurde mir in diesen Bedingungen klar, wie wichtig eine grundsolide Ausbildung ist. Wie gut, dass ich auf meiner Europe sauberes Steuern gelernt hatte. Ein kleiner Steuerfehler hat in dieser See schwerste Folgen.

Anschließend wurde ich zur Schifferinnenlaufbahn nominiert. Das hatte ich nie angestrebt. Ich nahm dies aber als Herausforderung an.

2015 begann also mit einem Schiffervorbereitungswochenende. Anschließend wurde ich zur Schifferreise zugelassen. Diese bestand in meinem Fall aus 2 Teilen: Teil 1: Helgoland–Edinburgh-Race, Teil 2: Rücküberführung von Edinburgh über Kristiansand nach Kiel. 1000 sm am Stück sind Pflicht. Es war jeweils mein sog. Supercargo (Prüfer) an Bord, der auch auf der Ergebnisliste geführt wurde. Das Helgoland-Edinburgh-Race haben wir vor allem dank meiner tollen Crew gewinnen können. Ich legte während des Rennens auf einen guten Informationsfluss zwischen den Positionen wert. Die Wachen stellte ich daher überlappend zusammen. Vielleicht war dies der I-Punkt zum Erfolg.

Die abschließende Prüfung vor dem Schifferrat bestand ich. Somit bin ich 2. Schifferin und 1. Regattaschifferin in der 80 jährigen Geschichte des Vereins „Segelkameradschaft das Wappen von Bremen“.

Die Saison klang aus mit dem Nordstream-Race. Ein 800 sm-Rennen mit kleinem aber mit Profis hochkarätig besetzten Feld von Flensburg nach St-Petersburg.“

Wolfgang Böhm: Tolle Darstellung, gerade erfahre ich noch, dass das Edinburgh Race mit dem DNV GL Youth Award im Hamburger Rathaus ausgezeichnet wurde für die beste Nachwuchsmannschaft.
Auch dazu: „Herzlichen Glückwunsch!“

Wir danken Dr. Melanie Aalburg für diese ausführliche Schilderung und hoffen, dass sie sich auf die Ehrung am 16. März freut.
Und für 2016 natürlich: Immer ganz knapp vor dem Zweiten halten!“

 

Melanie